Berlin (epd). Angesichts der Lage von Flüchtlingen im Mittelmeer mehren sich die Forderungen nach einer Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland begrüßte einen entsprechenden Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als dringend nötigen Schritt zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik der EU. "Wir fordern schon lange mehr Seenotrettung, weil man Menschen einfach nicht ertrinken lässt", sagte Sprecher Chris Melzer der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstag). Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erklärte: "Wir können nicht jede Woche aufs Neue diesen menschlichen Tragödien zuschauen. Wir brauchen eine wirksame Seenotrettung."
Melzer betonte, es gehe um eine vergleichsweise kleine Zahl an Flüchtlingen: "Das kann für die EU kein Problem sein." Es müssten nicht alle Migranten dauerhaft aufgenommen werden. Aber man müsse sie anhören, sagte er.
Merkel hatte sich Medienberichten zufolge am Donnerstagabend am Rande der Verabschiedung von Ursula von der Leyen (CDU) als Verteidigungsministerin dafür ausgesprochen, die staatlich organisierte Seenotrettung von Migranten im Mittelmeer wieder aufzunehmen. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unterstützte den Vorschlag laut Medienberichten.
Entwicklungsminister Müller sagte der in Berlin erscheinenden "tageszeitung" (taz, Samstag), die Flüchtlingspolitik müsse noch stärker an den Ursachen ansetzen. "Wenn Europa die vom Klimawandel betroffenen Regionen Afrikas nicht viel stärker unterstützt, werden dort in den nächsten Jahren hundert Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren", erklärte er. "Dann nimmt auch der Migrationsdruck gewaltig zu." Deswegen müsse in Afrika noch stärker in Waldschutz, erneuerbare Energie, Landwirtschaft und Bildung investiert werden.
Der Innenexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Armin Schuster (CDU), reagierte skeptischer auf Merkels Vorstoß zur Seenotrettung. Auch ihm sei sehr daran gelegen, dass keine Menschen mehr im Mittelmeer ertrinken, sagte er der "Rheinischen Post". Aber staatliche Rettungsaktionen "animieren vielleicht noch mehr, in die Boote zu steigen".
Eine Fortsetzung der EU-Marinemission "Sophia" war im Frühjahr am Veto Italiens gescheitert. Seitdem patrouillieren keine Schiffe mehr vor der libyschen Küste. Im Rahmen der Mission waren von dem beteiligten deutschen Schiff Tausende Bootsflüchtlinge gerettet worden.
Das private spanische Seenotrettungsschiff "Open Arms" harrt derzeit weiter vor Lampedusa mit noch rund 130 Flüchtlingen an Bord aus. Bereits am Donnerstag hatten sich sechs EU-Staaten, darunter Deutschland, bereiterklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini verbot dem Schiff dennoch die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa. Sechs Flüchtlinge durften das Schiff mittlerweile wegen psychischer Probleme verlassen, wie "Open Arms"-Initiator Oscar Camps auf Twitter meldete.
Die "Ocean Viking" von "Ärzte ohne Grenzen" und SOS Mediterranee mit 356 Flüchtlingen an Bord sucht ebenfalls einen sicheren EU-Hafen zum Einlaufen.
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