Bremen (epd). Die Schulen in Deutschland müssen sich nach Auffassung der Bremer Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu noch viel mehr als bisher auf Kinder und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln einstellen und unterschiedliche Sichtweisen wahrnehmen. "Es geht um ein Umdenken an den Schulen", sagte die Expertin am Freitag auf einer Veranstaltung des Mediendienstes Migration. Karakasoglu leitet an der Universität Bremen den Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung.
Zum Umdenken gehöre eine Haltung, die Vielfalt an den Schulen als Normalität begreife, betonte die Expertin. So dürften Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nicht als Problem wahrgenommen werden, sondern als Individuen mit Stärken und Potenzialen. Überdies komme das Thema migrationssensible Schule schon in der Ausbildung der Lehrkräfte zu kurz. Karakasoglu gab ein Beispiel: "Alle Fachlehrer müssten vertraut sein mit der Vermittlung von Inhalten unter der Bedingung von Deutsch als Fremdsprache."
Vor dem Hintergrund einer bundesweit gestiegenen Zahl von Schulabgängern ohne Abschluss sagte die Erziehungswissenschaftlerin, das Festhalten an Schulpflichtzeiten verbaue Jugendlichen die qualifizierte Chance auf einen Berufseinstieg. Sie forderte mehr Flexibilität und schlug vor, Schulabschlüsse bis zum 25. Lebensjahr möglich zu machen.
Einer Studie des Deutschen Caritasverbandes zufolge ist der Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss gestiegen. Bundesweit lag die Quote im Jahr 2017 bei 6,9 Prozent und war damit einen Prozentpunkt höher als 2015. Bundesweit waren im Jahr 2017 mehr als 52.000 Jugendliche betroffen. Eine Erklärung für die Zunahme der Zahl gescheiterter Schulabgänger ist der Studie zufolge die Zuwanderung. Für viele zugewanderte Jugendliche sei es eine große Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit eine neue Sprache zu lernen und einen Schulabschluss zu machen.
Um daran etwas zu ändern, benötigen die Schulen Karakasoglu zufolge nicht nur besser ausgebildete Lehrkräfte und eine auf Vielfalt ausgerichtete Haltung, sondern auch mehr Ressourcen. Zum Erfolg von Schülern mit ausländischen Wurzeln könnten außerdem Lernhelfer beitragen und Ansprechpartner, die die Sprache der Eltern beherrschten. Auch ein höherer Anteil von Lehrkräften mit Migrationshintergrund sei positiv. Doch der Umgang mit Vielfalt dürfe nicht auf sie delegiert werden. Die grundlegende Ausrichtung von Schule auf Migration sei eine Bildungsaufgabe für alle.