Agrigent (epd). Die Kapitänin des Seenotrettungsschiffs "Sea-Watch 3", Carola Rackete, ist am Donnerstag vor einem Gericht in der sizilianischen Stadt Agrigent zu einer erneuten Vernehmung erschienen. Von einem großen Medienaufgebot begleitet betrat sie wortlos und sichtlich bewegt das Gerichtsgebäude. Ihre Anwälte wollten sich nach Abschluss der Vernehmung äußern.
Italien wirft ihr Beihilfe zur illegalen Einwanderung vor. Überdies soll sie zum Vorwurf angehört werden, Anordnungen eines Kriegsschiffs nicht Folge geleistet zu haben. Im Fall einer Verurteilung in allen Anklagepunkten droht der 31-Jährigen eine Haftstrafe. Die Befragung war ursprünglich auf den 9. Juli angesetzt, wurde aber wegen eines Streiks der italienischen Anwälte verschoben. Das Gericht dürfte voraussichtlich erst nach der Sommerpause entscheiden, ob es zum Prozess kommt.
Bei einer ersten Anhörung hatte eine Untersuchungsrichterin den Vorwurf, die Kapitänin hätte beim unerlaubten Anlegen Widerstand und Gewalt gegen ein Kriegsschiff angewendet, als weniger schwerwiegend als die Notwendigkeit erachtet, die geretteten Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen. Daraufhin war Carola Rackete, aus dem Hausarrest entlassen worden und hatte sich an einen geheimen Ort auf Sizilien zurückgezogen.
Die Staatsanwaltschaft von Agrigent legte gegen Racketes Freilassung Berufung vor dem römischen Kassationshof ein. Damit will sie klären, wie Italien mit Seenotrettungsschiffen umgehen kann, die trotz Verbots in italienische Gewässer einfahren. Rackete ihrerseits reichte Klage gegen Italiens Innenminister Matteo Salvini wegen Verleumdung und Anstiftung zum Hass in den sozialen Netzwerken ein.
Die "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni 53 Bootsflüchtlinge aufgenommen. Italien brachte Kranke und Babys an Land, verweigerte dem Schiff aber die Einfahrt nach Lampedusa. Nach tagelangem Tauziehen entschied Rackete unter Berufung auf die Notsituation an Bord den Hafen von Lampedusa anzusteuern. Unmittelbar nach dem Anlegen wurde sie unter Hausarrest gesellt, die "Sea-Watch 3" beschlagnahmt.
In der Folge kam es vor allem in Deutschland zu Protesten. Hilfsorganisationen forderten ein Ende der Kriminalisierung der privaten Seenotrettung.