Rostock (epd). In den ärmsten Ländern der Welt könnte die Sterblichkeit von Säuglingen halbiert werden, wenn sich der Abstand zwischen zwei Geburten von einem auf zwei Jahre verlängert. Das ist ein Ergebnis einer Studie des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, wie das Institut am Mittwoch mitteilte. Für die Analyse hatten Kieron Barclay vom Max-Planck-Institut und zwei schwedische Forscher Daten aus 77 Ländern untersucht. Bis zu einem Geburtsintervall von drei Jahren nimmt demnach die Wahrscheinlichkeit stark ab, dass ein Kind im ersten Lebensjahr stirbt. Danach setzt sich dieser Trend zwar fort, allerdings viel langsamer.
Dies stehe ein Stück weit im Widerspruch zu der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die eine Pause von drei bis fünf Jahren zwischen zwei Geburten empfehle, sagte Barclay: "Unseren Erkenntnissen zufolge reichen drei Jahre vollkommen aus, um die Sterblichkeit massiv zu senken."
Am stärksten würde sich der positive Effekt in den ärmsten Ländern bemerkbar machen, in denen die Säuglingssterblichkeit sehr hoch sei, hieß es. In manchen Regionen erreichten zehn Prozent der lebend geborenen Kinder nicht das erste Lebensjahr. Dort halbiere eine Verlängerung des Geburtsintervalls von zwölf auf 24 Monate die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind in seinem ersten Lebensjahr stirbt. In reichen Ländern mit geringer Säuglingssterblichkeit hätten kürzere Abstände zwischen zwei Geburten keinen Einfluss auf die Überlebenschancen der Kinder.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es in den ärmsten Ländern der Welt ein großes Potenzial gibt, die Kindersterblichkeit zu senken", sagte Mitautor Joseph Molitoris von der Universität Lund in Schweden. Weltweit würden mehr als 30 Prozent der Kinder innerhalb von zwei Jahren nach ihrem älteren Geschwister geboren.
Aus der Studie lasse sich auch eine Empfehlung an Mütter ableiten, lange zu stillen, sagte Barclay: "Wenn man Mütter zum Stillen ermutigt, kann das durch eine optimale Ernährung der Säuglinge die Kindersterblichkeit direkt senken." Wenn eine Frau sechs Monate lang ausschließlich stille, reduziere sich zudem die Wahrscheinlichkeit, dass sie schwanger werde.
Für die Studie wurden Daten des "Demographic and Health Surveys"-Programm genutzt. Im Rahmen dieses Programmes werden seit 35 Jahren national repräsentative Daten zu Gesundheit und Bevölkerung in Entwicklungsländern gesammelt. Das Projekt wird von der Agentur für internationale Entwicklung in den USA finanziert und von den Vereinten Nationen finanziell unterstützt. Die Wissenschaftler untersuchten die Daten von etwa 1,15 Millionen Frauen, die 4,56 Millionen Kinder auf die Welt gebracht hatten. Von diesen 4,56 Millionen Kinder starben etwa 370.000 im ersten Lebensjahr.