Bremen (epd). Die deutschen Museen fordern mehr Geld, um die koloniale Vergangenheit ihrer Sammlungsobjekte mit Blick auf eine eventuelle Rückgabe klären zu können. Die Provenienzforschung sei eine Kernaufgabe der Museen, müsse aber finanziell und personell gestärkt werden, sagte der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Eckart Köhne, am Montag in Bremen. Zusammen mit der Direktorin des Bremer Übersee-Museums, Wiebke Ahrndt, stellte er in der Hansestadt die zweite präzisierte und erweiterte Fassung eines Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten vor.
Bei der Präsentation der ersten Ausgabe im vergangenen Jahr hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gesagt, die Provenienzforschung habe "höchste politische Priorität". Viel zu lange sei die Kolonialzeit ein blinder Fleck in der deutschen Erinnerungskultur gewesen. Sie zu erhellen, sei "Teil der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den ehemaligen Kolonien und Voraussetzung für Versöhnung und Verständigung mit den dort lebenden Menschen". Köhne betonte nun, damit die Museen den politischen Willen umsetzen könnten, seien mehr Mittel nötig.
Eine Stelle für einen Wissenschaftler in einem Museum genüge nicht, verdeutlichte Köhne. Gefragt seien Teams mit sechs bis acht Mitarbeitenden. Dazu gehörten neben Wissenschaftlern auch Restauratoren, Sammlungsverwalter, Fotografen und EDV-Spezialisten. In einem Eckpunkte-Papier hatten die Kulturminister von Bund und Ländern im März die Einrichtungen aufgefordert, ihre Bestände zu erforschen. Rückführungsersuchen von Sammlungsgut sollen zeitnah bearbeitet werden. Der Appell richtete sich an alle Häuser, die Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bewahren.
Entscheidend für einen angemessenen Umgang mit Objekten aus der Kolonialzeit sei ein dauerhafter Austausch mit den Herkunftsgesellschaften und -staaten, ergänzte Köhne. Die Vertreter der Herkunftsgesellschaften wollten wissen, welche ihrer Kulturgüter sich wo befinden, und sie wollten Zugang zu diesen erhalten.
Bei dieser Forderung nach Transparenz gehe es keineswegs immer nur um Rückgabe, sondern meist um Beteiligung, Einbindung und Wissenstransfer. Eine Digitalisierung und Online-Veröffentlichung der Sammlungsbestände seien in diesem Zusammenhang wesentlich. Auch dafür benötigten die Museen angemessene Mittel, sagte Köhne: "Kurzfristige Projekte helfen hier kaum." Eine gründliche Forschung sei nötig, damit Sammlungsstücke in der Politik nicht als "Glasperlen globaler Verhandlungsmasse" missbraucht würden.
Der neue Leitfaden war unter Leitung der Bremer Museumsdirektorin Ahrndt durch eine Expertengruppe mit Fachleuten erarbeitet worden, zu denen zwölf Vertreter unterschiedlicher Herkunftsgesellschaften gehörten. Sie kamen den Angaben zufolge unter anderen aus Namibia, Tansania, Samoa, Neuseeland, Australien und den USA. In der Zusammenarbeit sei deutlich geworden, dass Rückgaben nicht nur aufgrund der kolonialen Geschichte, sondern auch wegen der Bedeutung von Sammlungsobjekten für die Herkunftsgesellschaft nötig sein könnten, verdeutlichte Ahrndt.
Nach der nun vorgelegten zweiten Auflage plant der Museumsbund Ende 2020 eine dritte Version des Leitfadens. Sie soll Ahrndt zufolge dann unter anderem durch Beispiele aus der Praxis ergänzt werden. Mit dem umfassenden Leitfaden sei der Deutsche Museumsbund im internationalen Vergleich Vorreiter, sagte die Ethnologin.