Frankfurt a.M. (epd). Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat die EU aufgerufen, sich für die Freilassung der deutschen "Sea-Watch"-Kapitänin Carola Rackete einzusetzen. Rackete habe in einer absoluten Notlage gehandelt, sagte Müller der "Passauer Neuen Presse" (Montag): "Deswegen erwarte ich, dass Brüssel hier ein deutliches Signal sendet und die sofortige Freilassung einfordert." Die EU-Kommission forderte angesichts des Dramas um das Rettungsschiff "Sea-Watch-3" einen neuen Ansatz bei der Verteilung von Flüchtlingen mit mehr Solidarität der EU-Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung drang nach den Worten von Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf eine "gemeinsame europäische Lösung" zur Aufnahme der 40 Bootsflüchtlinge.
EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): "Es ist sehr klar, dass wir so nicht weitermachen können." Notwendig seien "strukturelle, berechenbare und faire Maßnahmen, um Solidarität zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass kein Mitgliedstaat allein gelassen wird". Die Herausforderungen der Migration könnten nicht in der alleinigen Verantwortung Italiens oder Griechenlands oder Maltas liegen.
Seehofer betonte, Deutschland stehe gemeinsam mit Frankreich "an der Spitze jener Mitgliedstaaten, die regelmäßig dazu beitragen, dass die Häfen im Mittelmeer für die in Not geratenen Menschen geöffnet werden". Er sei zuversichtlich, dass die EU-Kommission auch im aktuellen Fall der "Sea Watch 3" schnell eine Lösung aushandeln werde, sagte er den Funke Zeitungen (Montag).
Die SPD forderte Unterstützung von anderen EU-Mitgliedstaaten. "Wenn mitten in Europa eine junge Frau verhaftet wird, weil sie Ertrinkende rettet, läuft gehörig etwas schief", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem "RedaktionsNetzwerk" (Montag). "Die europäischen Partner müssen jetzt Druck auf die italienische Regierung machen. Seenotrettung ist kein Verbrechen und darf nicht kriminalisiert werden."
Grünen-Chefin Annalena Baerbock rief Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf, zugunsten von Rackete aktiv zu werden. "Das Auswärtige Amt sollte im Fall der verhafteten Kapitänin der 'Sea-Watch 3' unverzüglich aktiv werden, besonders mit Blick auf die unverständliche Handhabung, dass Carola Rackete unter Hausarrest gestellt wurde und nur Kontakt zu ihren Anwälten haben darf", sagte Baerbock der "Welt" (Montag).
Die 31-jährige Rackete war am Samstagmorgen in Lampedusa festgenommen worden, unmittelbar nachdem sie das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" mit 40 Flüchtlingen an Bord in den Hafen der italienischen Insel gesteuert hatte. Sie hatte dazu keine Genehmigung erhalten. Die Menschen, die mehr als zwei Wochen auf der "Sea-Watch 3" waren, gingen in Italien an Land. Rackete steht unter Hausarrest.
Die Festnahme der Kapitänin rief in Deutschland vielfach Empörung hervor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte im ZDF: "Wer Menschenleben rettet, kann nicht Verbrecher sein." Von einem Land wie Italien als Gründungsstaat der EU dürfe man erwarten, dass es mit einem solchen Fall anders umgehe.
epd kfr/mih jgr