Letztens jemand beim Bier zu mir: Du Sandra, nimm’s mir echt nicht übel. Aber ich kann auch ohne Kirche. Also, es ist ja nicht so, dass ich nicht an Gott glaube. Aber dafür brauche ich keine Kirche! Eure Zeit ist irgendwie vorbei. Weißte?
Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Geduld habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.
Kommt Ihnen bekannt vor? Diese Zeilen aus dem Hebräerbrief stammen aus einem Schreiben an eine Gemeinde, bei der die Luft raus ist. Man lebt aus dem nostalgischen Verweis auf die gute alte Zeit. Hach damals: volles Haus, gute Gemeinschaft, brennend im Glauben. Jetzt das krasse Gegenteil: Die Gemeindeversammlungen schrumpfen (10,25), manche suchen die Antworten für ihr Leben an anderen Orten (13,9). Viele sind bei einem Kinderglauben stehengeblieben und der taugt nicht (5,11-6,3). Das Alte trägt nicht mehr und noch gibt es keine Idee, wie es anders gehen könnte. Kommt Ihnen bekannt vor? Mir auch.
Vielleicht ist unsere Zeit wirklich vorbei. Wenn ich in mich reinhorche, ist auch mir vieles in der Kirche fremd. Manchmal gehe ich traurig aus Gottesdiensten, hungriger als zuvor.
Vertrautes stirbt: Volkskirche bröckelt. Die Volksparteien auch. Manche erkennen ihre Heimat nicht wieder. "Wetten, dass??" gibt’s nicht mehr, das Maibaumaufstellen zieht selbst auf dem Dorf nicht mehr.
Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Geduld habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.
Der Hebräerbrief ist für mich eine Mischung aus Trost und Arschtritt. Mensch, Werft euer Vertrauen nicht weg!!!
Oh, ich glaube, ich habe mich ver-traut Wenn das Alte nicht mehr trägt - kann ich stattdessen mir vertrauen? Einfach an mich selbst glauben? Chakka-du schaffst es!
Ich komme mir oft unzulänglich vor. Dann bin ich gar nicht so selbstsicher, wie immer alle von mir denken. Nicht so schlagfertig und gutaussehend, wie ich gerne wäre. Kann ich mir vertrauen? An Tagen, an denen meine Unzufriedenheit so stark ist, dass ich nicht mal aus dem Bett komme? Egal wie sehr ich mich auch anstrenge! Ganz ehrlich? Nein! Nein, ich kann mir dann nicht vertrauen.
Genau dann brauche ich Gottes Vertrauen in mich. Der mir vertraut, wenn ich selbst zu schwach bin. Das ist die Verheißung, das ist Gottes Vorschuss-Vertrauen. Ich schenke dir was, einfach, weil ich dich gern hab, so wie du bist: Gnade.
Kommt alle her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid (Mt 11,28), sagt Jesus. die ihr nicht klarkommt, bei denen es gerade nicht so läuft im Leben.
Jesus ist nicht wie ein Türsteher vor dem angesagtesten Club der Stadt, der kritisch an dir hoch- und runterschaut und dann sagt, "Nee, sorry, geschlossene Gesellschaft."
Jesus ist der Türsteher, der weiß, wie es ist, als letzter bei den Bundesjugendspielen durchs Ziel zu gehen und wieder keine Siegerurkunde zu bekommen. -
Er kennt das ins uns, was wir lieber verstecken wollen.
Er kennt den Jungen, der auf dem Schulhof alleine steht. Das Mädchen, das von Germany’s Next Topmodel träumt und sich immer zu dick fühlt. Der Anzugtyp, der alles zusagt, immer atemlos und es dann nicht einhält, weil er kurz vor dem Burn-Out ist. Uns alle. Das sind wir: Gottes geliebte Gurkentruppe.
Wir gehören zu Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, der sich mit Prostituierten, Steuerbetrügern und Aussätzigen umgab.
Der ihnen zuhörte, sie tröstete und heilte. Er liebte sie, mit einer Liebe, die stärker ist als der Tod.
Ich habe Sehnsucht danach. Weil ich diese Liebe selbst brauche:
Und weil ich ahne, dass es nicht nur mir so geht. Und weil ich genauso ahne, das Gott vielen diese Sehnsucht geschenkt hat. Wir brauchen Gott und wir brauchen einander. Ich brauche euch, damit ich meine Sehnsucht teilen kann. Ich brauche euch, damit ihr mich erinnert, Gott vertraut mir. Deshalb bin und bleibe ich Teil von Kirche, von dieser Vertrauensgemeinschaft, die Jesus nachfolgt. Mit meiner ganzen Geduld!
Vertrauen als Unerschrockenheit aus dem Glauben
Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.
Wir leben in Umbruchzeiten. Wie die Gemeinde des Hebräerbriefes. Das Alte trägt nicht mehr und das Neue suchen wir - und das birgt so viel Chancen.
Mal angenommen. Nur mal rein hypothetisch: Wir machen ernst damit! Mit dem Vertrauen. Wir glauben Jesus, dass weder die Siegerurkunde der Bundesjugendspiele, noch der Body-Mass-Index, noch unser Gehalt oder das, was wir pflichtbewusst auf die Reihe kriegen, über uns entscheiden. Wenn wir Jesus das glauben, dann sind wir frei.
Nur mal angenommen. Wir würden das echt durchziehen. Dieses Vertrauen, diese Unerschrockenheit aus dem Glauben.
Vielleicht zeigt sich das in neuen Formen von Kirche: Kirche als rollende Frittenbude. Glaube, Liebe, Currywurst. Wenn wir vertrauen, kommen uns vielleicht ganz andere Ideen und Visionen als bisher.
Und das bleibt sicher nicht nur auf die Kirche beschränkt. Wenn ich verstehe, dass alles Gnade und Geschenk ist, dann gehe ich mit dem Geschenkten auch großzügig um.
Wenn wir Jesus glauben: Was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40) dann ist für uns Lebenretten kein Verbrechen, sondern Christenpflicht. Man lässt keine Menschen ertrinken! Punkt!
Und dann dreht sich unsere Kirchenwoche nicht nur um den Sonntag, sondern auch um den Freitag. #FridaysForFuture.
Wir suchen und fragen dann gemeinsam mit anderen, welcher Lifestyle und welche Werte dem Willen Gottes entsprechen. Auch mit denen jenseits unserer Filterblase. Wir sehen wo Gott in der Welt wirkt - durch die Leute von Sea-Watch, SOS Méditerranée und Sea-Eye, durch Greta Thunberg und die Schülerinnen und Schüler, durch so viele andere - und dabei machen wir mit.
Werft euer Vertrauen, eure Unerschrockenheit, euren Glaubensmut nicht weg
Behaltet euer Vertrauen, seid unerschrocken, zeigt gemeinsam euren Glaubensmut.
Wir haben Gott an unserer Seite. Seine Zeit ist ganz und gar nicht vorbei. Unsere Zeit als Christinnen und Christen in dieser Welt ist nicht vorbei. Ich bin sicher: Wir werden gebraucht. Vielleicht mehr denn je.
Wir haben sein Versprechen, seine Verheißung: Gott liebt uns durch alles hindurch.
Worauf warten wir noch?