Giffey: Demokratie fördern und Lebensverhältnisse angleichen

Giffey: Demokratie fördern und Lebensverhältnisse angleichen
Kirchentag diskutiert über 30 Jahre Mauerfall

Dortmund (epd). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hält die Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland für geboten. Es gebe 30 Jahre nach dem Mauerfall keine Rechtfertigung mehr für ungleiche Bezahlung in Ost und West, sagte die SPD-Politikerin am Freitag auf dem Kirchentag in Dortmund. Mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland forderte sie zudem ein "Demokratiefördergesetz". Alle Gruppen, die sich vor Ort für Demokratie einsetzen und politische Bildung und Erinnerungskultur vermitteln, müssten langfristig Rückendeckung und Unterstützung bekommen und nicht nur bis zum nächsten Projektantrag.

Die Politik habe eine Verantwortung für die junge Generation, betonte Giffey in einer Diskussion zum Thema "30 Jahre Mauerfall - Wie gerecht geht es zu in der Republik?". Den jungen Leuten müsse das Bild einer offenen Gesellschaft vermittelt werden. Letztlich gehe es nicht um eine Frage von Ost- und Westdeutschland: "Der Gedanke von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität muss in alle Himmelsrichtungen wirken."

Bei der Lebenszufriedenheit der Menschen gehe es um Alltagsfragen von Menschen wie gute Kitaplätze, die Vereinbarung von Beruf und Pflege oder eine gute Verkehrsanbindung, sagte Giffey. Soziale schwache Menschen müssten so unterstützt werden, dass sie sich auf ihre eigene Kraft besinnen könnten, und die Reichen müssten sagen: "Das Geld geht dahin, wo es schwierig ist." Den Mauerfall bezeichnete die Ministerin als "Glücksfall des letzten Jahrhunderts".

Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) betonte, die Probleme dürften nicht mehr nach Himmelsrichtungen angegangen werden, auch im Westen gebe es Ungerechtigkeiten. Vor allem die Mauer in den Köpfen müsse endgültig beseitigt werden, die von manchen wieder aufgebaut werde. Nötig sei auch ein Politikwandel: Die Bürger müssten mehr gehört und beteiligt werden, um denjenigen die Grundlage zu entziehen, "die ihr rechtes Süppchen kochen".

Der Theologe und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Frank Richter äußerte sich besorgt über die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland. "Wir müssen verhindern, dass die neue Rechte in diesem Land regiert", sagte der langjährige Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Zu den Problemen im Osten gehörten neben einer Entvölkerung und Entindustrialisierung auch die "Preisgabe der Eigenstaatlichkeit" als sozialpsychologischer Nachtteil und ein Verlust an Sinn in einer "ökonomistisch denkenden Gesellschaft", in der es um Produzieren und Konsumieren gehe. Dies erleichtere es der AfD, ein "Opfernarrativ" zu entwickeln.

Der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) rief dazu auf, in die Menschen zu investieren, "nicht nur in Beton und bunte Fassaden". Nötig sei eine gleiche Verteilung von Chancen.

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte den Begriff "Mauerfall". Die DDR sei durch die "Kraft von tausend Kerzen" zu Fall gebracht worden, sagte sie in einer Bibelarbeit.

Vor 30 Jahren führte die friedliche Revolution in der DDR zum Mauerfall und schließlich zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990. Das diesjährige Jubiläum soll bundesweit mit Feierlichkeiten begangen werden.

epd lwd/igl fu