Pünktlich um 09.19 Uhr ging's auf Gleis 11 los: Organisiert von der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) fährt die leuchtendgelbe Straßenbahn am Karlsruher Hauptbahnhof zum 400 Kilometer entfernten Kirchentag nach Dortmund. Weitere Halte sind in Bruchsal, Heidelberg und Darmstadt geplant. Die Ankunft am Dortmunder Hauptbahnhof soll um 15.10 Uhr sein.
Ganz entspannt steigen die ersten Reisenden bei strahlendem Sonnenschein in Karlsruhe ein. Die Fahrkarte kostet pro Strecke inklusive reserviertem Sitzplatz 50 Euro. "Es gelten die Beförderungsbedingungen der ESG Karlsruhe", steht auf dem grünen Ticket. Zugassistent und Mitinitiator David Porzer entwertet die Karten ordnungsgemäß mit einem Friedenstauben-Locher.
Sechs Stunden Zeit zum Kennenlernen
Extra aus Freiburg ist der Politikstudent Lukas Pfrengle angereist. Die Fahrt mit der Straßenbahn sei "ein Abenteuer und eine tolle Gelegenheit, schon mal neue Leute kennenzulernen", sagt der 20-Jährige: "Außerdem ist die Fahrt billiger als mit der Bahn."
Die rund 400 Kilometer lange Fahrt der maximal 90 km/h schnellen Stadtbahn der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) Karlsruhe dauert etwa sechs Stunden. Ein ICE benötigt für die Strecke etwa 3,5 Stunden. Was erst eine witzige Idee war, ist dank der Studierenden der ESG Wirklichkeit geworden. Die Deutsche Bahn hat für die Fahrt eine Streckenfreigabe erteilt und die Sonderfahrt genehmigt.
Dass seine Bahn auf Eisenbahnstrecken fährt, ist für Triebfahrzeugführer Reinhard Götz nichts Ungewöhnliches. Als bundesweit erstes Unternehmen habe die AVG bereits 1992 innerstädtische Straßenbahnstrecken mit Eisenbahnstrecken kombiniert und fährt seitdem mit sogenannten Zweisystem-Stadtbahnen. Am Kirchentag selbst kann Götz jedoch nicht teilnehmen, sondern muss die Straßenbahn zusammen mit einem Kollegen gleich wieder zurück nach Karlsruhe fahren. Am Sonntag um 14 Uhr holt er die Kirchentagsbesucher dann wieder in Dortmund ab.
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Doch nicht nur Studierende fahren mit. Auch einige ältere Kirchentagsbesucher nehmen auf den blaugemusterten Polstersitzen in der Bahn Platz - mit geschmierten Stullen und reichlich Getränken. Einer von ihnen ist Friedhelm Sauer. Das erste Mal habe er 1969 am Kirchentag in Stuttgart teilgenommen, erzählt er. Seitdem war er fast jedes Mal dabei. "Für mich ist der Kirchentag der Himmel auf Erden", sagt der pensionierte Pfarrer aus Ettlingen (Kreis Karlsruhe) strahlend. Zugassistent Porzer hebt die rote Kelle, pfeift mit der grünen Trillerpfeife - und los geht's mit der Straßenbahn nach Dortmund.