Wegen ihrer unabsehbaren Risiken seien solche Eingriffe derzeit ethisch unverantwortlich, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme des Ethikrats. Danach sind die Experten in dem Gremium zwar einhellig der Meinung, dass die menschliche Keimbahn, in der sich alle Erbinformationen finden, nicht unantastbar ist. Voraussetzung für die Anwendung neuer Technologien seien aber Sicherheit und Wirksamkeit der Verfahren.
Als "Genome-Editing" oder auch "Gen-Chirurgie" werden in der Wissenschaft Verfahren bezeichnet, mit denen sich das Erbgut gezielt verändern lässt, eben so, wie ein Text-Dokument editiert werden kann. Umgangssprachlich hat sich dafür der Begriff Gen-Schere durchgesetzt, weil die DNA, in der alle Erbinformationen gesammelt sind, dabei tatsächlich mit Schnitten bearbeitet wird, um etwas herauszunehmen oder hinzuzufügen.
Möglich ist das durch Verfahren, bei denen Moleküle wie Proteine oder Nukleinsäuren sich an die Zielsequenz der DNA binden und dabei ein Enzym transportieren, das die Veränderungen bewirkt. Diese Methode ist der Natur entlehnt: So sind etwa Bakterien in der Lage, zielgenau und wie mit einer Schere die DNA von Viren zu zerstören, die zuvor in sie eingedrungen sind.
Als Durchbruch auf diesem Gebiet gilt die Entdeckung der Präzisions-Gen-Schere Crispr-Cas9 im Jahr 2012. Seitdem mehrten sich die Hoffnungen, durch gezielte Veränderungen im Erbgut schwere Erbkrankheiten wie Mukoviszidose zu vermeiden oder sogar Krankheiten wie Malaria oder Aids auszurotten. Weltweit forschen Biologen und Chemiker an der Anwendung, die an Pflanzen, Tieren und Menschen gleichermaßen möglich ist.
Insbesondere Eingriffe beim Menschen, konkreter in der menschlichen Keimbahn, sind dabei ethisch hoch umstritten. In der Keimbahn eines Embryos sind alle Erbinformationen enthalten. Was dort verändert wird, würde also auch an die nächste Generation weitergegeben.
Wegen dieses tiefgreifenden Eingriffs, aber auch weil die Verfahren längst noch nicht so präzise und sicher sind, dass Eingriffe beim Menschen gerechtfertigt erscheinen, sprechen sich viele Wissenschaftler weltweit gegen Versuche aus, an deren Ende genmanipulierte Babys geboren werden sollen. Berichte über die Geburt von durch Crispr behandelte Zwillingsschwestern in China im vergangenen November sorgten deswegen international für einen Aufschrei.
Erst Mitte März forderten renommierte Wissenschaftler in der Zeitschrift "Nature" ein Moratorium für die klinische Anwendung von Methoden, die das menschliche Erbgut in Eizellen, Sperma oder von Embryonen verändern. Unter den Autoren war auch die Entdeckerin der Gen-Schere Crispr-Cas9, Emmanuelle Charpentier. Auch in ihrer Stellungnahme verwiesen die Forscher auf das chinesische Experiment. Es galt als Tabubruch. Zwar hatte es zuvor bereits Versuche an Embryonen gegeben, allerdings nie mit dem Ziel, dass sie später einer Frau übertragen werden sollen.
Auch wenn es international einen großen Konsens gibt, die klinische Anwendung der Gen-Chirurgie beim Menschen bis auf weiteres zu bannen, gibt es bis heute kein entsprechendes Abkommen für ein Moratorium. Der Deutsche Ethikrat hatte wiederholt die Bundesregierung aufgefordert, sich international für eine Debatte darüber einzusetzen.
In Deutschland stellt sich die Frage nach einer klinischen Anwendung nicht. Das strenge Embryonenschutzgesetz verbietet solche Eingriffe, auch wenn das Regelwerk aus dem Jahr 1990 die neuesten Gen-Techniken noch gar nicht kannte. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind danach aber generell verboten.