Eng und untrennbar umschlingen sich neun Gestalten, schauen sich dabei tief in die Augen: Die Skulptur aus afrikanischem Sese-Holz steht in der Bremer Zentrale der Norddeutschen Mission und begeistert den scheidenden Generalsekretär des Missionswerkes, Hannes Menke. Denn der Kunsthandwerker aus Ghana, der die Skulptur ursprünglich aus einem Stück schuf, hat damit gleichzeitig einem Sprichwort aus seiner Heimat Gestalt gegeben. In der Sprache Twi, die dort gesprochen wird, lautet es "Tikro Enko Agina", was so viel bedeutet wie: Ein Kopf kann nicht allein entscheiden.
Eine Weisheit, die Menkes Arbeit in seiner Zeit als hauptamtlicher Chef des Missionswerkes bestimmt hat. 2003 übernahm der heute 63-jährige evangelische Theologe das Generalsekretariat der Norddeutschen Mission, in dem sechs Kirchen mittlerweile gleichberechtigt so eng miteinander verbunden sind, wie es die Skulptur unter dem englischen Titel "Unity" (Einheit) symbolisiert. Dazu gehören die evangelischen Kirchen in Togo und Ghana, die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Evangelisch-reformierte Kirche und die Lippische Landeskirche.
1836 wurde die "Norddeutsche Missions-Gesellschaft" von lutherischen und reformierten Missionsvereinen in Hamburg gegründet. Nach ersten Aktivitäten in Neuseeland und Indien konzentrierte sie ihre Arbeit bald auf den Bereich der damaligen westafrikanischen Sklavenküste und hat seit 1851 ihren Sitz in Bremen. Der Auftrag der Missionare damals: Im Gebiet der Ureinwohner des Ewe-Volkes sollten sie "den armen Heiden das lieb Evangelium" predigen.
Heute engagiert sich die Mission mit einem Jahresetat von etwa 1,3 Millionen Euro entwicklungspolitisch und im theologischen Dialog, erläutert Menke. Sie fördert die Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen durch Workcamps, gemeinsame Gottesdienste, Austausch- und Freiwilligenprogramme.
"Das Missionswerk ist als Makler zwischen Kulturen und Kirchen unterwegs", sagt Menke, der an diesem Freitag mit einem Gottesdienst in der Bremer Kulturkirche St. Stephani in den Ruhestand verabschiedet wird. Dann wird er von der oldenburgischen Pastorin Heike Jakubeit (51) abgelöst. Sie soll das Amt am 1. Juli übernehmen - als erste Frau an der hauptamtlichen Spitze des Werkes.
Der Job des Maklers bedeutet für Menke auch politisches Engagement - gegen Klimawandel, Armut und Ungerechtigkeit. Programme und Projekte des Missionswerkes zeigen, wie wichtig dem Pastor dieser Leitsatz in der praktischen Arbeit war: in Initiativen für Bildung und Gesundheit, Friedensarbeit und Dorfentwicklung oder zur spirituellen Begleitung und Heilung, die sich viele Menschen in Westafrika von der Kirche wünschen.
"Da haben wir wenig begriffen", bemerkt Menke selbstkritisch mit Blick auf Westeuropa. Er werbe dafür, die afrikanische Vielfalt von Heilung und Heil wahrzunehmen: "Nicht Pille statt Gebet, sondern Gebet und Pille."
"Ich wollte schon immer andere kulturelle Welten christlichen Glaubens kennenlernen", verdeutlicht Menke, der selbst sechs Jahre als Pastor in Togo gearbeitet hat. In einem früheren Interview sagte er, er sehe sich nicht als Missionar, sondern als "brüderlicher Mitarbeiter" - eine Rolle, in der er sich bis heute wohlfühlt.
"Wir können viel voneinander lernen - über kulturelle Grenzen hinweg"
Dabei kam es zwischenzeitlich auch zum Eklat, als er und seine Frau Britta Ratsch-Menke 1990 Hals über Kopf ihre Arbeit abbrechen mussten, weil sie des Landes verwiesen wurden. Ursache war ein privater Brief, den der Geheimdienst geöffnet hatte. Darin hatten sie Togo als Diktatur bezeichnet. Zwei Jahre danach konnte das Paar wieder zurückkehren. Später war Menke Gemeindepastor in der evangelischen Kirchengemeinde Bremen-Lüssum und erarbeitete sich dort den Ruf eines basisnahen Netzwerkers.
Fasziniert ist Menke bis heute von der alltäglichen Frömmigkeit, die ihm in Westafrika begegnet ist. "Die Menschen beten im Auto, vor Sitzungen, sind ganz selbstverständlich mit Gott verbunden", beschreibt er und ist auch in dieser Hinsicht überzeugt: "Wir können viel voneinander lernen - über kulturelle Grenzen hinweg."