Wenn die Kinder im Stadtteil Bad Godesberg in Bonn in diesen Tagen mit ihren Erzieherinnen draußen unterwegs sind, interessiert sie eines ganz besonders: "Haben Sie vielleicht gerade den Osterhasen gesehen?", wollen die Jungen und Mädchen aus dem Kindergarten der evangelischen Erlöser-Kirchengemeinde von den Passanten auf der Straße wissen. "Gerade die kleineren Kinder glauben noch, dass es den Osterhasen gibt", beobachtet die Leiterin der Einrichtung, Sabrina Heß. Doch einige Eltern fragen sich auch, ob es noch zeitgemäß ist, Kindern vom Osterhasen zu erzählen.
"Kinder verstehen, dass es sich nicht um eine rationale Realität handelt, sondern um eine Geschichte", beruhigt der Hamburger Entwicklungspsychologe Ulf Liszkowski. Die Kinder lernten vielmehr, dass die Geschichten vom Osterhasen - ähnlich wie die vom Weihnachtsmann - zu Bräuchen gehörten, die zu einer bestimmten Jahreszeit gelebt würden. Und solche Bräuche würden grundsätzlich positiv erlebt. "Für Menschen ist es zentral, etwas gemeinsam zu tun und einer Gruppe anzugehören. Und um das zu erreichen, gibt es solche kulturellen Überzeugungen, die geteilt werden."
So unrealistisch es auch ist, dass ein Hase bunte Eier heranschleppt: Eine Lüge sei die Geschichte vom Osterhasen dennoch nicht, urteilt Susanne Breit-Keßler, Kuratoriumsvorsitzende der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Motto: "Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen". "Kinder hören ja auch Märchen oder sehen Filme mit Fantasiegeschichten", sagt die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München-Oberbayern. Diese nähmen sie auch nicht für bare Münze. Zudem sei der Osterhase keine Erfindung der Unterhaltungsindustrie, sondern ein uraltes Bild, das Fruchtbarkeit und lebendige Kraft symbolisiere.
Breit-Keßler findet es allerdings wichtig, dass neben Schoko-Hasen und bunten Eiern der Ursprung des Osterfestes nicht aus dem Blick gerät. "Die Botschaft von der Auferstehung und vom ewigen Leben können auch ganz kleine Kinder schon verstehen und gut gebrauchen", sagt die Regionalbischöfin.
Osterbräuche und der christliche Gehalt des Osterfestes seien kein Widerspruch, meint auch die Religionspädagogin Birgit Deiss-Niethammer. "Es braucht keine Entscheidung zwischen der Geschichte von der Auferstehung Jesu einerseits und Bräuchen wie Osterhase oder bunten Eier andererseits", sagt die Direktorin der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Stuttgart. "Kinder brauchen mythische Gestalten und lösen sich davon, wenn sie so weit sind."
Das ist auch die Erfahrung der Bonner Kita-Leiterin Sabrina Heß. Den älteren Kindern sei sehr wohl bewusst, dass es den Osterhasen nicht gebe, sagt sie. Aber nichtsdestotrotz freuten sie sich über das Ritual. Wenn Kinder anfangen, an Fantasiegestalten wie dem Osterhasen oder Weihnachtsmann zu zweifeln, raten Pädagogen dazu, kritische Fragen zu unterstützen und nicht an der Osterhasengeschichte festzuhalten.
In der Kita der Erlöser-Kirchengemeinde basteln die Kinder vor Ostern mit Begeisterung Küken aus Eierkartons. Und sie warten darauf, dass der Osterhase zum gemeinsamen Frühstück vor dem Start in die Ferien etwas ins Nest legen wird. "Zugleich versuchen wir aber auch, sehr deutlich zu machen, dass der Hase oder das Küken Symbole sind", sagt Heß. Der christliche Hintergrund des Festes wird auch durch eine Osterandacht unterstrichen, für die der Pfarrer in die Kita kommt.
So beliebt der Osterhase vor allem bei Kindern ist, so sei er dennoch kein Muss, sagt der Psychologe Liszkowski. "Wenn Eltern entscheiden, diesem Brauch nicht zu folgen, ist das auch kein Problem." Schließlich könnten sich Bräuche mit der Zeit ändern. Und vor allem für jüngere Kinder sei zunächst das Miteinander in der Familie das Entscheidende.