"Das Gröning-Urteil wird als große späte Leistung des deutschen Staates gesehen, nach langer Zeit ein klares Wort zu finden", sagte Walther, der in dem Prozess in Lüneburg viele Nebenkläger vertreten hat, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Gröning war 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Zuvor hatte sich die deutsche Justiz jahrzehntelang dagegen gesperrt, Wachleute und sonstige Helfer allein wegen ihrer Rolle als "Rädchen im Getriebe" der Mordmaschinerie der Nazis wegen Beihilfe zu verurteilen.
Erst kürzlich sei er zu Vorträgen unter anderem in Mexiko, Kuba und Costa Rica gewesen, sagte Walther. Dort seien ihm in einst von Holocaust-Überlebenden gegründeten Gemeinden ein unglaubliches Interesse, große Dankbarkeit und ein sich änderndes emotionales Verhältnis zu Deutschland begegnet. Auch für die Auschwitz-Überlebenden, die als Nebenkläger im Gröning-Prozess aufgetreten sind, bedeute die späte Gerechtigkeit viel. Eine Überlebende aus Toronto habe ihm nach dem Urteil gesagt: "Mir ist durch das Erleben dieses Verfahrens quasi ein neues Leben geschenkt worden."
Dass wie bei Gröning ein Urteil noch zu Lebzeiten des Angeklagten rechtskräftig wird, wird aus Walthers Sicht wohl einmalig bleiben. Zwar gebe es weitere Ermittlungen. "Vieles spricht aber dafür, dass sie nicht mehr zu einem rechtskräftigen Urteil führen werden", sagte er. Dennoch sei er zufrieden, weil auch durch seinen Einsatz ein jahrzehntelanges Versagen der Justiz korrigiert worden sei.
Mit Blick auf die deutsche Gesellschaft werde der Effekt eher gering ausfallen, sagte der Anwalt. Während der Verfahren sei die Resonanz vor allem in den Medien groß und positiv gewesen. Doch ein bleibender Lerneffekt in der Mitte der Gesellschaft bleibe aus. Er beobachte vielmehr "eine Verwilderung der Sprache, eine Verrohung von Sitten in der politischen Auseinandersetzung und eine erbarmungslose Abgrenzung gegenüber Flüchtlingen ebenso wie steigende judenfeindliche Tendenzen".