Der Kompromissvorschlag der Bundesregierung zur Neuregelung des Werbeverbots für Abtreibungen stößt auf geteilte Reaktionen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, er sehe die Chance, das Thema im Interesse von Frauen und Ärzten zu lösen. Die neue CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer lobte die Einigung. Aus der SPD war zunächst wenig zu hören. Die FDP bezeichnete den Vorschlag als "nicht ausreichend". Kritik kam von der Opposition.
CDU: Keine Abschaffung durch die Hintertür
Kramp-Karrenbauer schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, der Schutz des Lebens, ungeborenes und geborenes, habe für die CDU überragende Bedeutung. Deshalb sei es gut, dass das Werbeverbot bleibe. In einer Erklärung vom Mittwochabend betonte die CDU, wenn der Gesetzestext vorliege, werde man darauf achten, dass keine Abschaffung des Werbeverbots durch die Hintertür erfolge.
Ärztepräsident Montgomery sagte, niemand wolle für Schwangerschaftsabbrüche werben. Schwangere Frauen müssten sich aber über das Verfahren informieren können. Die FDP bemängelte hingegen, dass der Handlungsspielraum von Ärzten eingeschränkt bleibe. Der Vize-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, er verstehe den Kompromiss so, dass Ärzte auch künftig nicht selbst über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte im Magazin "Focus" (Samstag) klar, die Regierung werde "genau definieren, welche Informationen der Arzt geben darf."
Im Januar kommen Details
Dem am Mittwochabend veröffentlichten Einigungspapier zufolge sollen staatliche Stellen damit beauftragt werden, Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, welche Ärzte und medizinischen Einrichtungen Abtreibungen vornehmen. Beauftragt werden sollen die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der Informationsauftrag soll im umstrittenen Paragraf 219a verankert werden. Details wurden für Januar angekündigt.
Grüne, Linke, SPD und zuletzt auch die FDP hatten hingegen für die vollständige Streichung des § 219a plädiert. Auf Antrag der FDP sollte darüber noch am späten Donnerstagabend im Bundestag abgestimmt werden. Daran wollte die Fraktion auch nach dem Regierungs-Kompromiss festhalten.
Kritik von den Grünen
Die Chefs der Koalitionsfraktionen hatten sich in ersten Reaktionen zurückhaltend geäußert. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte, "die Koalitionsfraktionen warten nun die weitere Konkretisierung der angesprochenen Punkte ab." Es sei gut, dass es einen Kompromissvorschlag gebe, erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, sagte hingegen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag), die SPD-Frauen könnten der Einigung "niemals zustimmen."
Die Grünen-Fraktion sprach von einem "unausgegorenen Vorschlag". Der Paragraf 219a müsse aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, und es müssten klare Regelungen zur Informationsfreiheit gefunden werden, erklärten die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws und Katja Keul, Sprecherin für Rechtspolitik.
EKD sieht Kompromiss positiv
In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stößt der Kompromiss zum Umgang mit dem Werbeverbot für Abtreibungen weitgehend auf Zustimmung. Die Kirche begrüße die Ankündigung der Bundesregierung, in der Frage des Werbeverbots für Klarheit zu sorgen, erklärte der EKD-Bevollmächtigte in Berlin, Martin Dutzmann, am Donnerstag. Es sei richtig, wenn auch weiterhin nicht für den Schwangerschaftsabbruch geworben werden dürfe, die betroffenen Frauen sich aber umfassend darüber informieren könnten.
Um den Kompromiss war innerhalb der Bundesregierung lange gerungen worden. Verhandelt wurde er von Justizministerin Katarina Barley, Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD), Innenminister Horst Seehofer (CSU) Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU). Um Ärzten Rechtssicherheit zu geben, soll "rechtlich ausformuliert" werden, dass sie, wie auch Krankenhäuser darüber informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und auf Informationen über die entsprechenden Stellen hinweisen dürfen.
Der Paragraf 219a stellt Werbung für Abtreibungen unter Strafe. Gerichte hatten deshalb Ärzte verurteilt, die auf ihrer Website darüber informierten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe hatte die Debatte vor gut einem Jahr breit entfacht. Hänel selbst kritisierte die Einigung am Mittwochabend. "Das ist kein Kompromiss. Das heißt: der #219a soll bleiben", schrieb sie bei Twitter. Sie hatte vehement für die Abschaffung des Paragrafen plädiert.