Nach dem Streit um die Zulassung protestantischer Ehepartner zum katholischen Abendmahl rät der evangelische Theologe Ulrich Körtner zu mehr Nüchternheit in der Ökumene. "Vielleicht kehrt nach der anfänglichen Franziskus-Begeisterung, die es auch unter evangelischen Christen gab, endlich wieder die Nüchternheit ein, welche die Ökumene braucht", schreibt der Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien in einem Beitrag für das Magazin "zeitzeichen" (August-Ausgabe). Anstrengungen in der Ökumene dürften bei aller Betonung der Gemeinsamkeiten nicht die verbleibenden theologischen Unterschiede relativieren.
"Es könnte eine befreiende Wirkung haben, auf evangelischer wie auf katholischer Seite zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht etwa der Reformwille, sondern die objektiven Reformmöglichkeiten der katholischen Kirche Grenzen haben", erläuterte Körtner. Nur wenn man dies begreife, sei eine realistische Ökumene möglich, die mit den Grunddifferenzen der Konfessionen umgehen kann. "Ökumenische Gemeinschaft und die verschiedenen konfessionellen Profile schließen einander nicht aus, im Gegenteil, sie bereichern einander", fügte er hinzu.
An der Orientierungshilfe der katholischen Kirche zur gemeinsamen Teilnahme konfessionsverschiedener Eheleute an der Eucharistie bemängelt Körtner die fehlende Verbindlichkeit: "Jeder Bischof kann es halten, wie er es für richtig hält. Die Folge ist ein kirchenrechtlicher Flickenteppich." Innerkatholisch gehe die Orientierungshilfe nicht über das hinaus, was auf Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und des geltenden Kirchenrechts schon heute möglich sei.
Außerdem dürfe ein katholischer Ehepartner auch trotz der Orientierungshilfe nicht am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Die Einladung der evangelischen Kirche werde abgelehnt, kritisierte Körtner. Der evangelische Ehepartner müsse im Gegenzug allerdings die katholische Abendmahlslehre annehmen und sich laut Orientierungshilfe in einer schweren geistlichen Notlage befinden, um zur Eucharistie in der katholischen Kirche zugelassen zu werden. "Wer als evangelischer Christ unbedingt zur katholischen Kommunion gehen will, soll es meinetwegen tun", schrieb Körtner. "Aber dafür braucht man keine gewundenen Rechtfertigungsgründe wie eine 'schwere geistliche Notlage'."
Nachdem der Vatikan die Veröffentlichung einer Handreichung zur Öffnung der katholischen Kommunion für protestantische Ehepartner überraschend zurückgehalten hatte, war das Papier im Juni als Orientierungshilfe für die einzelnen Bischöfe veröffentlicht worden, aber nicht wie ursprünglich geplant als offizielle Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz. Zahlreiche Bistümer kündigten anschließend an, evangelische Ehepartner in Einzelfällen zur Kommunion zulassen zu wollen.