Kirchen verlieren 2017 mehr als 600.000 Mitglieder

Die großen christlichen Kirchen in Deutschland verlieren weiter Mitglieder.
Foto: tai111/stock.adobe
Die großen christlichen Kirchen in Deutschland verlieren weiter Mitglieder.
Kirchen verlieren 2017 mehr als 600.000 Mitglieder
Zahl der Austritte gestiegen - Kirchensteuereinnahmen dennoch stabil
Der Mitgliederschwund in den beiden großen Kirchen setzt sich fort. Schuld ist vor allem der demografische Wandel: Mehr Mitglieder sterben als neue hinzukommen. 2017 stieg in beiden Kirchen aber auch die Zahl der Austritte.

Die großen christlichen Kirchen in Deutschland verlieren weiter Mitglieder. 2017 sank die Zahl der Mitglieder der evangelischen Kirche auf 21,5 Millionen. 23,3 Millionen Menschen gehörten der katholischen Kirche an, wie aus den am Freitag von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Statistiken hervorgeht. Die 20 protestantischen Landeskirchen haben dabei mehr Mitglieder (390.000) verloren als die 27 katholischen Bistümer (270.000).

Der Mitgliederschwund summierte sich damit bei beiden Kirchen auf 660.000. 2016 waren es insgesamt rund 530.000 verlorene Mitglieder. Dennoch gehört noch mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an. Hinzu kommen Christen aus orthodoxen oder Freikirchen.

###extern|twitter|EKD/status/1020248598397816832###

Ursache des Mitgliederschwundes ist vor allem der demografische Wandel. 350.000 Mitglieder der evangelischen Kirche starben 2017. Die katholische Kirche zählte rund 240.000 Bestattungen. Zugleich stieg im vergangenen Jahr, in dem die Protestanten das 500. Reformationsjubiläum feierten, die Zahl der Kirchenaustritte. Rund 200.000 Menschen kehrten der evangelischen Kirche den Rücken, 2016 waren es etwa 10.000 weniger. Auch die katholische Kirche verzeichnete 2017 mehr Austritte - rund 168.000 (2016: 162.000).

Dass sich das Reformationsjubiläum nicht positiv auf die Mitgliederzahl der evangelischen Kirche ausgewirkt hat, überrascht den Religionssoziologen Gert Pickel nicht. "Junge oder nicht gläubige Menschen sind der Kirche so fern, dass sie das Jubiläum höchstens am Rande wahrgenommen haben", sagte der Professor für Religionssoziologie der Universität Leipzig dem epd. Mit der Feier habe die EKD allerdings die Beziehung zu den Menschen gestärkt, die bereits mit der Kirche verbunden gewesen seien.

Zugleich lag die Zahl neu oder wieder gewonnener Mitglieder höher als die der Austritte. Rund 205.000 Menschen wurden den Angaben zufolge 2017 in der evangelischen Kirche getauft oder aufgenommen, etwa so viele wie im Vorjahr. Die katholische Kirche gewann durch Taufe, Eintritt oder Wiederaufnahme rund 180.000 Mitglieder. Die Differenz zum Gesamtverlust ergibt sich nach Angaben der EKD unter anderem aus Wegzügen aus Deutschland und Ungenauigkeiten durch Rundungen und Hochrechnungen, weil noch nicht alle Landeskirchen zum Stichtag 31. Dezember 2017 endgültige amtliche Daten vorlegen konnten.

Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July erklärte sich dankbar gegenüber jedem, der der Kirche die Treue halte und forderte die Zweifelnden auf, das Gespräch zu suchen: "Unser Auftrag als Kirche, von Gottes Liebe und Versöhnung zu sprechen und uns für die Schwachen einzusetzen, hängt nicht an Zahlen", betonte July und setzte hinzu, dass Kirche die Menschen seien, die "aus der Orientierung am Evangelium leben und deshalb diesen Beitrag in unsere Gesellschaft einbringen wollen". Diese Orientierung, so July, braucht unsere Gesellschaft.

Der Sekretär der katholischen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, erklärte, die Zahl der Austritte schmerze. Er ermunterte dazu, nach Gründen für den Kirchenaustritt zu fragen. Man wolle verstehen, warum Menschen in der Kirche keinen Ort für Orientierung fänden und fragen, welche Veränderungen möglich seien "auch hinsichtlich einer Glaubwürdigkeit, die heute mehr als früher erwartet wird", sagte er.

5,67 Milliarden Euro Kirchensteuern

Der Mitgliederschwund wirkte sich 2017 nicht auf die Einnahmen durch Kirchensteuern aus. Das Aufkommen wuchs in der evangelischen Kirche nach deren Angaben auf 5,67 Milliarden Euro. Die katholische Kirche machte in ihrer Statistik dazu keine Angaben. Mittelfristig rechnen die Kirchen aber mit Einbußen durch den demografischen Wandel und das Ausscheiden der sogenannten Babyboomer-Jahrgänge von 1955 bis 1969 aus dem Berufsleben. Ein großer Teil der Kirchensteuern wird den Angaben zufolge von ihnen aufgebracht.

Die Erträge der evangelischen Kirche, zu denen auch Zuschüsse, Fördermittel und Einnahmen gehören, summierten sich laut letzter Datenerhebung von 2014 auf rund 12,3 Milliarden Euro. Davon entfällt fast ein Drittel (3,8 Milliarden Euro) auf die Arbeit in den knapp 14.000 Kirchengemeinden inklusive der Personalkosten der Pfarrer. Ein gutes Viertel (3,3 Milliarden Euro) wird für gemeindediakonische Aufgaben aufgewendet. In diesen Bereich fallen die kirchlich betriebenen Kindertagesstätten, deren Anzahl der Statistik zufolge 2017 auf 8.800 mit rund 43.000 Plätzen gestiegen ist.

Rechnet man die Einrichtungen des Wohlfahrtverbandes Diakonie hinzu, summiert sich die Zahl der Plätze in Kitas und Horten der evangelischen Kirche auf eine halbe Million. Die Zahlen verdeutlichten, welche gesellschaftliche Aufgabe die Kirche erfülle, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort der am Freitag veröffentlichten neuen Statistik-Broschüre seiner Kirche.

In der katholischen Kirche setzte sich 2017 der Strukturwandel fort. Die Zahl der Pfarreien sank bundesweit um etwa 90 auf 10.200, die der Priester auf rund 13.600 (2016: 13.900).