Aus Sicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, darf das Kreuz als christliches Symbol nicht vom Staat okkupiert werden. Es könne "nicht auf ein Zeichen einer erfolgreichen Kultur- und Beheimatungsleistung reduziert werden, sondern ist mindestens genauso das Zeichen einer zum Nachdenken bringenden Infragestellung aller weltlichen Werte", schreibt der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montag).
In der Debatte um eine Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden verzichtete der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten indes erneut auf eine direkte Kritik am Beschluss der Landesregierung. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer deutete für den bayerischen Vorstoß Verständnis an.
Sinn des Kreuzes öffentlich machen
Bedford-Strohm argumentierte: "Dass das Kreuz zuallererst eine religiöse Bedeutung hat, darüber scheint jetzt Konsens zu bestehen. Nur indem dies auch wirklich ernst genommen wird, kann es ja überhaupt eine öffentliche Bedeutung geben." Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe nach seiner Aussage, wonach das Kreuz nicht Zeichen einer Religion sei, auf Kritik reagiert und erklärt, dass es in allererster Linie ein religiöses Symbol sei, aber auch zu den Grundfesten des Staates gehöre.
Nach Ansicht des Ratsvorsitzenden ist der Gebrauch des Kreuzes in der Öffentlichkeit dann tragfähig, wenn er Orientierung stiftet. Die Kirchen hätten die Aufgabe, den Sinn des Kreuzes öffentlich zu machen. Wenn das Kreuz in öffentlichen Gebäuden hängt, sollte es Bedford-Strohms Meinung nach an das Geheimnis der Erlösung durch Jesus Christus erinnern. Dazu zählten "die im Glauben gewonnene Freiheit, dem Nächsten zu dienen", und Humanität. Das Kreuz stehe "für einen Gott, der sich in einem Gekreuzigten zeigt und darin gerade an der Seite der Schwachen und Verletzlichen steht".
Bedford-Strohm lehnt es hingegen ab, das Kreuz als "ideologisches Kampfmittel" einzusetzen, wie es etwa auf "Pegida"-Demonstrationen geschehen sei, oder es als rein kulturelles Symbol für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu nutzen. Auch die Verbannung des Kreuzes aus der Öffentlichkeit heißt er nicht gut.
Probleme mit der Begründung
Unterdessen äußerte die CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer ein gewisses Verständnis für die geplante Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden. "Für mich ist es als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken immer eine Freude, wenn ich ein Kreuz im öffentlichen Bereich sehe", sagte Kramp-Karrenbauer dem Berliner "Tagesspiegel" (Montag). Bei der jüngsten Kruzifix-Debatte habe sie bei den Bayern anfangs Probleme gehabt "mit der Begründung, wenn es heißt, das Kreuz sei kein religiöses Symbol".
Auf die Frage, ob ein staatlich verordnetes Kreuz in Amtstuben Menschen anderer Religionen ausgrenze, sagte die CDU-Generalsekretärin: "Wir haben im Saarland diese Erfahrung nicht gemacht." Wenn sich jemand, etwa im Gerichtssaal, von einem Kreuz gestört fühlte, seien das in der Regel Menschen gewesen, die sich selbst als nicht gläubig bezeichneten. "In dem Fall muss die Behörde natürlich reagieren und das Kreuz im Zweifel abnehmen. Das entspricht unserem Verständnis von Religionsfreiheit."
Weiter betonte Kramp-Karrenbauer, ihrer Erfahrung nach "löst der Anblick eines Kreuzes - ebenso wie etwa der Anblick der Kirchtürme - selbst bei Menschen, die sich als nicht so religiös bezeichnen - einen Impuls aus, der eng mit Heimat und eigener Herkunft verbunden ist".
Das bayerische Kabinett hatte kürzlich die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert. Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude muss ab 1. Juni als Ausdruck der "geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden. Die Anordnung der Staatsregierung hat für Kritik von Juristen, Parteien und Kirchenvertretern gesorgt - es gab aber auch Zustimmung für den Beschluss.