Es sei ihr "wurscht", dass sie die wohl älteste Frau Deutschlands sei, erklärte Edelgard Huber von Gersdorff bei ihrem letzten Geburtstag im vergangenen Dezember. "Ich wäre lieber die Gescheiteste gewesen, ich habe immer gerne gelernt." Aber alt werden? Das sei Glückssache, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie wünsche sich auch nicht, noch älter zu werden, erklärte die ehemalige Juristin. "Es ist jetzt gut." Sie wolle sanft verschwinden.
Am Montag ist Huber von Gersdorff friedlich in ihrer Wohnung gestorben, wie es am Dienstag aus ihrem nahen Umfeld hieß. Sie wurde 112 Jahre alt und galt damit als älteste Frau Deutschlands. Zuletzt saß die zierliche Frau mit schlohweißem Haar im Rollstuhl und konnte kaum noch sehen und nur schwer hören. Aber bis in ihr letztes Lebensjahr informierte sie sich per Radio über das Weltgeschehen. Im Februar wurde sie noch Patin der Notrufnummer 112.
"Ich wünsche mir, sanft zu verschwinden"
An Gott glaubte die getaufte Protestantin nicht, ebenso wenig an ein Leben nach dem Tod. "Evolutionär gesehen, sind wir doch so klein", sagte sie. Warum sollte es ausgerechnet für die Menschen einen Himmel geben. Huber von Gersdorff kam 1905 in Gera zur Welt und wuchs als Kind einer adligen Offiziersfamilie in Karlsruhe auf. Geschwister hatte sie keine. "Meine Mutter hat nach mir noch eine Tochter bekommen, aber sie war mongoloid und ist als Kind gestorben", erzählte Huber von Gersdorff. Sie, die als Kind sportverrückt war, turnte, Ball spielte und kaum einen Tag ohne Laufen aushalten konnte, hatte auch früh gesundheitliche Probleme. "Mit 22 Jahren bekam ich Kinderlähmung", berichtete sie. Mit dem Sport- und dem Chemiestudium, das sie begonnen hatte, um "den Dingen in der Welt auf den Grund zu gehen", war es danach vorbei. "Das ganze Stehen im Labor, das konnte ich alles nicht mehr."
Als einen "wundervollen Gruß des Schicksals" bezeichnete Huber von Gersdorff die Liebe ihres Mannes. Sie hatte den drei Jahre älteren Walther bereits mit 14 Jahren kennengelernt und er ermöglichte es, dass sie trotz ihrer Krankheit ein normales Leben haben konnte. "Wir sind vielgereist, nach Marokko, Moskau und haben in Italien den Ätna bestiegen." Er ermunterte sie auch, Jura zu studieren.
In den folgenden Jahrzehnten lebte Huber von Gersdorff mit ihrem Ehemann in einer Etagenwohnung in Karlsruhe und arbeitete als Justiziarin bei einer Bank. Ihr Mann wurde Rektor an einer Fachhochschule. Kinder waren für die beiden nie ein Thema. "Mit meiner Krankheit hätte ich ja nie einem Kleinkind hinterherlaufen können", sagte Huber von Gersdorff. 1987 starb ihr Mann. Huber von Gersdorff lebte seitdem mit Hilfe einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung in ihrer eigenen Wohnung. Bis vor drei Jahren ging sie noch öfters in die Oper oder ins Theater.