Spitzenvertreter der Kirchen in Deutschland haben an Karfreitag zum friedlichen Zusammenleben und Begegnungen über Religionsgrenzen hinweg aufgerufen. Christen könnten sich nie mit Hass in der Welt abfinden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in einer Predigt in München. "Hass und Gewalt sind nichts Normales", betonte er. In Interviews wandten sich Bedford-Strohm wie auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gegen die Ausgrenzung von Muslimen. Beide äußerten sich kritisch zur Debatte über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört.
Die Frage führe nicht weiter, sagte Kardinal Marx dem Magazin "Focus": "Da könnte man auch fragen, ob der Atheismus zu Deutschland gehört." Schon der Blick in das Grundgesetz reiche zu Klärung. Der Artikel 4 garantiere die Freiheit der Religionsausübung. Dieses Recht sei Teil der Staatsräson, betonte Marx.
Ihn störe es, wenn Ängste geschürt werden und man bei Muslimen nur über deren Religion rede, sagte der Münchner Erzbischof: "Sie sind zuerst Menschen, und dann kommt das Adjektiv." Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte wenige Tage nach seiner Ernennung Mitte März der "Bild"-Zeitung gesagt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt."
Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm sprach im Interview mit dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" von einer "Symboldebatte, die als solche wenig zielführend ist". In Deutschland lebten 4,5 Millionen Muslime. "Da ist interreligiöser Dialog nicht Kür, sondern Pflicht. Wir sollten darüber reden, wie wir miteinander umgehen wollen", sagte der EKD-Ratsvorsitzende.
Beim traditionellen "Kreuzweg der Völker", der an Karfreitag durch die Münchner Innenstadt führte, sagte Marx, Christen seien verpflichtet, den Weg von Gewaltlosigkeit und Liebe zu gehen. Dieser Grundsatz gelte auch für die Begegnungen mit anderen Religionen wie etwa den Muslimen in Deutschland. Denn Christen wüssten aus eigener Erfahrung in Europa und in der Welt, dass es ohne Freundschaft, ohne Begegnung, ohne Offenheit für den anderen Menschen kein Verstehen und keine Versöhnung gebe.
Auch die evangelische Theologin Margot Käßmann rief zu Begegnungen mit Muslimen auf. Wenn man sich kenne, würden Ängste gar nicht erst entstehen, sagte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende dem Deutschlandfunk.
Zu Beginn der Osterfeierlichkeiten in Rom vollzog Papst Franziskus am Gründonnerstag bei der Abendmahlsmesse den traditionellen Ritus der Fußwaschung an zwölf Häftlingen. Vor dem Gottesdienst besuchte das Kirchenoberhaupt Vatikanangaben zufolge mehrere kranke Insassen des Regina-Coeli-Gefängnisses in der italienischen Hauptstadt. Die Abendmahlsmesse erinnert am Tag vor Karfreitag an das letzte Abendmahl von Jesus Christus mit seinen Jüngern.
Badischer Bischof: Kreuz macht frei
Nach Überzeugung des Bischofs der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, mache das Kreuz von Jesus frei, "aufrecht ohne Angst durchs Leben zu gehen". Deshalb trügen es manche mit einem Kettchen um den Hals, andere hätten es als Zeichen an der Wand, sagte Cornelius-Bundschuh laut Predigtmanuskript an Karfreitag in der Karlsruher Stadtkirche. "Mit Jesu Tod am Kreuz stirbt die Feindschaft: zwischen Völkern, zwischen Arm und Reich, zwischen Religionen", betonte der Bischof.
Der Theologe rief dazu auf, Ängste um den eigenen Besitz zu überwinden. So sollte es nicht peinlich sein zu fragen, ob in einem Anzug Kinderarbeit stecke und wie die Menschen entlohnt werden, die ihn genäht haben. Jesus Christus mache durch seinen Tod am Kreuz Schluss mit dem "Wie du mir, so ich dir." Gott lasse Jesus aber nicht im Tod, sondern führe ihn wieder ins Leben, unterstrich Cornelius-Bundschuh.
Der Karfreitag ist einer der höchsten Feiertage des Christentums, an dem die Gläubigen an Jesu Leiden und Sterben am Kreuz erinnern. Neben Gottesdiensten finden auch zahlreiche Prozessionen zum Gedenken an den Kreuzweg statt. Der Papst betet den Kreuzweg traditionell am Abend am Kolosseum in Rom.
In Deutschland versammelten sich bereits im Tagesverlauf unter anderem in Berlin, Görlitz und Lübeck jeweils mehrere hundert Menschen zu Prozessionen. "Mit dem Kreuz, das wir tragen und auf das wir schauen, gedenken wir der Leiden von unschuldig verfolgten Menschen, von im Krieg Getöteten, von durch Hass und Menschenverachtung Umgekommenen", sagte der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge.