In Syrien spitzt sich die humanitäre Lage für Hunderttausende Zivilisten laut den Vereinten Nationen dramatisch zu. Die heftigen Kämpfe in den Gebieten Ost-Ghuta und Afrin hätten chaotische Massenfluchten erzwungen, warnten Hilfsorganisationen der UN am Dienstag in Genf. Beim Beschuss einer Schule in der Rebellenregion Ost-Ghuta durch mutmaßlich russische Jets seien 15 Kinder und zwei Frauen getötet worden, etwa 52 weitere Menschen hätten Verletzungen erlitten, meldete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Der Sprecher des Flüchtlingshilfswerk UNHCR, Andrej Mahecic, gab an, dass in den vergangenen Tagen mehr als 45.000 Kinder, Frauen und Männer aus Ost-Ghuta vor dem Bombardement der Assad-Truppen geflohen seien. Die hungrigen, durstigen und verzweifelten Menschen hätten in Behelfslagern des Syrisch-Arabischen Roten Halbmondes Zuflucht gefunden. Die Lager seien in einem miserablen Zustand und in Gebieten errichtet worden, die das Regime von Machthaber Baschar al-Assad kontrolliert.
1.400 getötete Zivilisten in Ost-Ghuta
Gleichzeitig harrten Hunderttausende Menschen in Ost-Ghuta vor den Toren von Damaskus aus, sie warteten auf Hilfe von außen. Insgesamt seien seit dem 18. Februar in Ost-Ghuta über 1.400 Zivilisten getötet und mehr als 5.300 verletzt worden, darunter Hunderte Kinder und Frauen, hielt die Syrische Beobachtungsstelle fest. Die Angaben der Beobachtungsstelle können nicht überprüft werden, gelten aber als zuverlässig. Seit Wochen beschießen syrische Streitkräfte und verbündete Milizen mit russischer Unterstützung Ost-Ghuta.
Im nordwestlichen Gebiet Afrin sind in den vergangenen Tagen nach Angaben des UNHCR-Sprechers mehr als 104.000 Menschen vor den Kämpfen zwischen der türkischen Armee und kurdischen Milizen geflohen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, sagte, dass in der Stadt Afrin etliche Zivilisten der Gewalt zum Opfer gefallen seien. Luftschläge, von Land abgefeuerte Geschosse und Minen hätten die Menschen verstümmelt oder getötet. Türkische Truppen haben die Stadt inzwischen eingenommen.
Laut dem Kinderhilfswerk Unicef harren mehr als 100.000 Menschen noch in der Region Afrin aus. Etwa die Hälfte davon seien Kinder. Auch nach Einschätzung des derzeit in Nordsyrien tätigen Arztes Michael Wilk wird die humanitäre Lage in Afrin immer dramatischer. "Frauen bringen ihre Kinder am Straßenrand zur Welt. Man kann sich die Szenen kaum vorstellen", sagte Wilk im Interview mit dem Deutschlandfunk. Geflohene Menschen hielten sich unter freiem Himmel auf.
Wilk kritisierte die Bundesregierung: Die deutschen Waffenexporte richteten immenses Unheil an. "Ich schäme mich dafür und ich halte das Tun und vor allem das Nichtstun für völlig verantwortungslos, was die deutsche Regierung anbelangt."
Der Weltsicherheitsrat hatte sich Ende Februar auf eine 30-tägige Waffenrufe für ganz Syrien geeinigt, die jedoch nicht eingehalten wird. Seit sieben Jahren herrscht in dem Land ein brutaler Krieg, bei dem mehr als 400.000 Menschen getötet und zwölf Millionen Syrer in die Flucht getrieben wurden.
Truppen von Machthaber Assad, oppositionelle Rebellen und Terrorgruppen kämpfen gegeneinander. Dabei wird Assad von Russland, dem Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Kurden werden wiederum an der syrisch-türkischen Grenze im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" von den USA unterstützt.