Die Straßburger Richter beurteilten die Beschwerde aus der Schweiz am Donnerstag als offensichtlich unbegründet. Die Mutter eines Mädchens aus Basel wollte die Befreiung ihrer Tochter von der Sexualkunde erwirken, als die damals Siebenjährige 2011 in die zweite Klasse versetzt wurde. (AZ: 22338/15)
Die Mutter pochte in der Schweiz und in Straßburg vor allem auf das Recht auf Privat- und Familienleben, wie der EGMR erläuterte. Dieses Recht schließe die Erziehung beziehungsweise Sexualerziehung ein. Der EGMR erkannte zwar eine Einschränkung dieses Rechts an, hielt diese aber für rechtens. Er machte unter anderem geltend, dass die Sexualerziehung im vorliegenden Fall legitime Ziele wie den Schutz vor Missbrauch bezweckt habe. Zudem verwies er darauf, dass die Lehrer den Schweizer Vorgaben zufolge nur auf Fragen und Handlungen der Kinder reagieren und damit keine systematische Sexualerziehung geben sollten.
Das Mädchen wurde in Straßburg nicht als eigene Klägerin neben der Mutter zugelassen, da sie laut EGMR keine Verletzung ihrer Rechte habe beklagen können. Sie hatte demnach in dem Grundschuljahr tatsächlich keinen Sexualkundeunterricht. Die Mutter wurde dessen ungeachtet als Klägerin anerkannt, weil die Straßburger Richter bei ihr die Sorgen vor dem Unterricht für ihre Tochter ernst nahmen.
Die Klage der Mutter auf Verletzung der Religionsfreiheit wies der EGMR jedoch ebenfalls ab. Die Frau habe lediglich in abstrakter Form auf ethische und moralische Grundwerte verwiesen. Selbst wenn sie aber gut begründet hätte, wie die Sexualkunde ihrer Weltanschauung entgegenstehe, wäre das wohl nicht ins Gewicht gefallen, argumentierte das Gericht. Denn die Religionsfreiheit schütze das Kind in der Schule nicht grundsätzlich vor anderen Ideen, sondern nur vor der Indoktrination mit bestimmten Ideen.