Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte bereits im Mai 2014 Anklage gegen Kusch und den Mediziner S. wegen gemeinschaftlichen Totschlags erhoben: Zwei Seniorinnen im Alter von 81 und 85 Jahren waren zwei Jahre zuvor in den Verein Sterbehilfe eingetreten und hatten den Wunsch nach einem Suizid geäußert. Gegen ein Entgelt von 2.000 Euro hatte der Mediziner auf Vermittlung Kuschs ein psychiatrisches Gutachten angefertigt. Festgestellt wurde darin, dass die Seniorinnen geistig und körperlich rege und sozial gut eingebunden seien. Grund für ihre Suizid-Wünsche sei ihre Angst vor dem Altern gewesen.
Kusch hat daraufhin laut Staatsanwaltschaft eine Überdosis eines verschreibungspflichtigen Malariamedikaments beschafft. Beide Frauen hätten am 10. November 2012 im Beisein des Arztes die Medikamente eingenommen. Der Mediziner habe keine Rettungsmaßnahmen eingeleitet. Wenige Minuten später seien beide verstorben. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten die Beschuldigten nicht Sterbehilfe geleistet, sondern "die Tatherrschaft über die Selbsttötung" gehabt.
Das Landgericht Hamburg hatte einen Prozess gegen beide allerdings abgelehnt. Nach den Ermittlungsergebnissen sei ihr Vorgehen zwar "ethisch fragwürdig", aber nach der damals geltenden Rechtslage nicht strafbar gewesen, teilte das Landgericht im Dezember 2015 zur Begründung mit (AZ: 601 Ks 4/14). Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft kam das Oberlandesgericht im Juni 2016 zu dem Schluss, dass eine Verurteilung von Kusch sehr unwahrscheinlich sei. Das Verfahren gegen den Mediziner S. sei jedoch geboten. Eröffnet wird das Verfahren jetzt vor der Großen Strafkammer.
Ende 2015 ist ein neues Bundesgesetz in Kraft getreten, das die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Damit soll Sterbehilfe-Organisationen die rechtliche Grundlage entzogen werden. Da der Fall aber länger zurückliegt, kommt das Gesetz in diesem Fall nicht zur Anwendung.