Die Evangelischen Frauen in Deutschland forderten die Landeskirchen auf, nun auch homosexuelle Paare auch vor dem Traualtar mit heterosexuellen gleichzustellen. Gleichgeschlechtliche Paare sollten "ohne Ausnahme" nicht länger nur gesegnet, sondern auch getraut werden, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Frauen in der evangelischen Kirche, Angelika Weigt-Blätgen, am Montag in Hannover. Bislang gibt es in zwei von 20 evangelischen Landeskirchen eine Trauung für homosexuelle Paare.
Eine Ungleichbehandlung sei theologisch nicht haltbar, sagte Weigt-Blätgen. Sie berief sich auf die Orientierungshilfe "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken", die der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bereits 2013 formuliert habe. Darin sei festgehalten, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften mit der Ehe theologisch gleichwertig seien. Das gelte es nun in der Praxis umzusetzen. Dazu "wünsche ich meiner Kirche mehr Mut", erklärte Weigt-Blätgen. Die EKD-Schrift zu Ehe und Familien war damals allerdings heftig umstritten.
Der Verband begrüßte ausdrücklich den Bundestagsbeschluss vom vergangenen Freitag: "Die Ehe für alle war überfällig, es war ein geradezu reformatorischer Akt unseres Gesetzgebers", sagte die Verbandsvorsitzende, Susanne Kahl-Passoth: "Wir freuen uns, dass die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nun zumindest vom Bundestag endlich beendet wurde."
Landeskirche: Bundestagsbeschluss hat keine Auswirkungen auf kirchliches Recht
Für Sachsens evangelischen Landesbischof Carsten Rentzing hat dagegen die Ehe zwischen Mann und Frau nach wie vor Priorität. Ungeachtet der Mehrheitsentscheidung im Bundestag habe "der im Grundgesetz hervorgehobene Schutz von Ehe und Familie weiterhin im Sinne einer Ehe von Mann und Frau Vorrang", sagte Rentzing am Montag in Dresden dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gelte weiter "die bleibende Bedeutung der biblischen Ordnung von Ehe und Familie als Leitbild des Zusammenlebens von Frau und Mann".
Die württembergische evangelische Landeskirche betonte, der Bundestagsbeschluss habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das kirchliche Recht. Kirchensprecher Oliver Hoesch wies die Forderung der württembergischen Vereinigung "Offene Kirche" zurück, gleichgeschlechtliche Trauungen nun zuzulassen. Einen "Automatismus der Anpassung" von kirchlichem an staatliches Recht gebe es nicht, sagte Hoesch am Montag dem epd. Das neue Gesetz werde aber in aller Sorgfalt von Theologen und Juristen geprüft.
Die "Offene Kirche" hatte in einer Mitteilung argumentiert, dass das Kirchenrecht auf staatliches Recht Bezug nehme. So heiße es in der Trauordnung: "Es entspricht der Ordnung der Kirche, dass ihre Glieder, wenn sie eine Ehe eingehen, sich kirchlich trauen lassen." Deshalb seien nun auch gleichgeschlechtliche Paare zur Trauung eingeladen. Wenn Pfarrer solche Paare vermählen, dürfe es keine disziplinarischen Maßnahmen gegen sie geben.
Der Sprecher wies darauf hin, dass der Bundestag die Selbstbestimmung der Religionen unterstreiche. In der Drucksache des Bundestags heiße es: "Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neuregelung unberührt." Umso wichtiger sei es, dass die Landeskirche ihren Klärungsprozess nun weiterführe. Die Landessynode will im Herbst über den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren beraten.
Der größte Gesprächskreis der Synode, die "Lebendige Gemeinde", lehnt eine kirchliche Trauung oder Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bislang ab. Der zweitgrößte Gesprächskreis, die "Offene Kirche", fordert eine Gleichstellung.
In den Landeskirchen in Hessen-Nassau und im Rheinland sind homosexuelle Paare bereits heute bei der Trauung Ehepaaren gleichgestellt. In anderen evangelischen Landeskirchen gibt es Gottesdienste oder Segnungen, aber keine Trauung oder Amtshandlung. In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg sind Segnungsgottesdienste für schwule oder lesbische Paare bislang nicht möglich.