Zum Abschlussgottesdienst des Kirchentages, der als Höhepunkt des Reformationsfestwochenendes in Wittenberg gefeiert wurde, kamen nach Angaben der Veranstalter rund 120.000 Menschen. Insgesamt beteiligten sich laut Kirchentag rund 106.000 Dauerteilnehmer an den fast 2.500 Veranstaltungen in Berlin und Wittenberg. Vor zwei Jahren in Stuttgart waren es 97.000. Zudem zählten die sechs regionalen "Kirchentage auf dem Weg" in acht mitteldeutschen Städten etwa 50.000 Besucher, weniger als zuvor erwartet.
Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au rief die Protestanten beim Festgottesdienst auf, Auseinandersetzungen nicht zu scheuen. Die Schweizer Theologin forderte dazu auf, auch mit denen zu reden, die keinen Dialog führen wollen. "Und von Angesicht zu Angesicht, nicht anonym im Netz." EKD-Ratschef Bedford-Strohm erinnerte im Schlussgottesdienst mit dem Blick von den Elbwiesen auf die Schlosskirche von Wittenberg, wo Luther 1517 seine Thesen angeschlagen haben soll, an die Reformation als Erneuerungsbewegung. Nach 500 Jahren werde vielleicht eine "neue Generation 2017" entstehen, die "aus dem Reformationsjubiläum einen Neuaufbruch zum Glauben mitnimmt".
Erzbischof Makgoba, ein Nachfolger von Erzbischof Desmond Tutu, rief den Jugendlichen zu, sich nicht entmutigen zu lassen: "Seid radikal." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermutigte in einem Grußwort die Christen zu noch mehr Gemeinschaft. "Der lebendige ökumenische Austausch zwischen den Konfessionen und die enge Zusammenarbeit der Christen tun dem ganzen Land gut", sagte er. Der Journalist Hans Leyendecker lud als Präsident des nächsten Kirchentages 2019 die Gottesdienstteilnehmer nach Dortmund ein.
In Wittenberg hatte der letzte Tag des Protestantentreffens mit einer musikalischen Andacht bei Sonnenaufgang begonnen. Leise Klänge von Trommeln und einer Posaune stimmten die Besucher auf der Festwiese an der Elbe auf den Abschluss ein. Rund 1.000 Menschen hatten dort die Nacht in Schlafsäcken unter freiem Himmel verbracht. Hunderte Gläubige brachen schon am frühen Morgen mit Sonderzügen aus Berlin nach Wittenberg auf. Auch aus Leipzig, Magdeburg und Dresden verkehrten Züge. Für Fußgänger errichtete die Bundeswehr eine Pontonbrücke über die Elbe.
Auf dem Kirchentag hatte es am Samstag noch einmal Wirbel gegeben um eine verzerrte Darstellung von Aussagen der Theologin Margot Käßmann über die AfD in sozialen Netzwerken. Sie erwäge deswegen rechtliche Schritte, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die EKD-Reformationsbotschafterin hatte am Donnerstag in einer Bibelarbeit die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert.
Sie sagte, diese entspreche dem "kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten": "Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern" - und setzte mit Blick auf die AfD nach: "Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht." Im Kurznachrichtendienst Twitter wurden vielfach nur die beiden letzten Sätze ohne den Zusammenhang zum Arierparagrafen zitiert und dadurch der Eindruck erweckt, Käßmann habe alle Bürger mit deutschen Ahnen zu Nazis erklärt.