Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte am Mittwochabend in seinem Grußwort nach dem Eröffnungsgottesdienst, Christentum finde nicht nur in Gottesdiensten statt - "dann wäre es keins". Lammert ermunterte dazu, sich nicht zu verabschieden aus Gemeinschaften - der Christen, der Europäer oder der Demokraten. Kirchentage seien "eine gute Gelegenheit zum vertieften Gespräch" über Gott und die Welt.
Vor der Kulisse des Reichstagsgebäudes sagte Lammert, es gebe wohl kaum einen zweiten Platz, wo sich in gleicher Weise Glanz und Elend der jüngeren deutschen Geschichte begegneten. Das Gebäude sei heute Symbol einer stabilen parlamentarischen Demokratie, aber auch Symbol des Scheiterns einer Demokratie. Dies erinnere daran, dass auch Demokratie nicht ewig sei und verteidigt werden müsse, mahnte der Bundestagspräsident.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte, die Gastgeberstadt sei ein besonderer Ort für ein solches Treffen. Oberbürgermeister Ernst Reuter habe dort einst an die Völker der Welt appelliert, auf diese Stadt zu schauen und sie in ihrem Freiheitskampf zu unterstützen. Heute fragten sich Menschen in Syrien, Journalisten in der Türkei oder Abgehängte in der Gesellschaft: "Seht ihr mich?". Das Christentreffen unter der biblischen Losung "Du siehst mich" solle ein Kirchentag des Hinschauens sein.
Müller appellierte mit Blick auf den jüngsten Terroranschlag in Manchester an die Kirchentagsgäste, ihr Handeln nicht von Verbrechern diktieren zu lassen und nicht an der Spirale des Hasses zu drehen, sondern den Respekt vor anderen Menschen zu bewahren. Er freue sich auf einen Kirchentag, der Mut mache, sich in die Gesellschaft einzubringen, sagte Müller.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte zum Auftakt des Kirchentages die Gemeinsamkeiten von evangelischer und katholischer Kirche in Ostdeutschland. "Nicht zuletzt unter dem Druck der Herrschenden in der DDR" habe sich ein vertrauensvolles und belastbares Miteinander zwischen den Kirchen entwickelt, sagte Koch in einem Grußwort. "Wir erleben einander als theologische Anfrage und als geistliche Bereicherung."
Auch das geistliche Oberhaupt der Kirche von England, der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, erinnerte in seinem Grußwort an die Terroranschläge in Berlin und in Manchester. Egal was in der Politik passiere, "wir Europäer gehören zusammen", sagte er.