Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben am Samstag in Kassel ihre "Woche für das Leben" eröffnet. Die ökumenische Aktion setzt sich in diesem Jahr mit den Wünschen nach einer sorgenfreien Schwangerschaft, einer glücklichen Geburt sowie einem guten und gesunden Heranwachsen des Kindes auseinander. Die Initiative findet bundesweit vom 29. April bis 6. Mai unter dem Thema "Kinderwunsch - Wunschkind - Designerbaby" statt.
An dem ökumenischen Eröffnungsgottesdienst in der Kasseler Martinskirche nahmen der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, teil. Beide riefen zu einem verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit der modernen Fortpflanzungsmedizin auf.
Bedford-Strohm: Menschliches Leben keine Ware
In seiner Predigt warnte Bedford-Strohm vor einer Verbindung von Biotechnologie und moderner Konsumkultur. Ein Umgang mit menschlichem Leben als Ware widerspreche einer Kultur, in deren Zentrum die Würde des Menschen steht. Der "Kern des Würdebegriffs" schließe jede Instrumentalisierung und Ökonomisierung aus.
Landesbischof Bedford-Strohm verwies auf Internetseiten internationaler Fortpflanzungskliniken, auf denen anhand der Persönlichkeitsprofile der Spenderinnen die gewünschten Eizellen für eine künstliche Befruchtung ausgewählt und erworben werden können. "Es hat seine guten Gründe, dass das deutsche Embryonenschutzgesetz gegenüber der Verzweckung menschlichen Lebens eine klare Sperre einbaut", sagte er. Die "schleichende Verfügbarmachung des Lebens" sei eine große Gefahr.
Marx mahnt Ethik in Medizin an
Kardinal Marx zufolge werfe die heutige Medizin mit ihren zahlreichen Handlungs- und Behandlungsmöglichkeiten auch viele Fragen auf. Mit Blick auf die moderne Fortpflanzungsmedizin warnte er vor maßgeschneiderten Wunschkindern. Es gelte vielmehr, "Kinder so anzunehmen, wie sie sind, und nicht sie so zu machen, wie wir sie gerne hätten", sagte Marx.
Letztlich sei immer daran zu erinnern, "dass Kinder ein Geschenk" sind, sagte Marx. Kinder seien "kleine Wunder" und deshalb für viele Menschen aus einer gelungenen Lebensplanung kaum wegzudenken, fügte der Kardinal hinzu. Wenn der Kindersegen jedoch ausbleibe oder die Sorge um das ungeborene Kind übermächtig werde, dann "hat niemand das Recht, über die Paare in solchen Zerreißproben selbstgerecht zu urteilen", räumte Marx ein.
An dem Gottesdienst waren zudem der kurhessische Bischof Martin Hein (Kassel) und sein katholischer Amtskollege Heinz Josef Algermissen vom Bistum Fulda beteiligt. Hein betonte, die "Woche für das Leben" sei "auch im Lutherjahr ein unübersehbares Zeichen für gelebte Ökumene".
Die diesjährige "Woche für das Leben" befasst sich mit Themen wie Zeugung, Schwangerschaft und Geburt sowie die damit zusammenhängenden Fragen der reproduktionsmedizinischen Techniken und der diagnostischen Verfahren zum Erkennen genetischer Defekte und Krankheiten vor Implantation oder vor der Geburt. Außerdem werden aktuelle Diskussionen unter anderem zur Veränderung der DNA eines Menschen und zum Einfrieren von Eizellen behandelt.
Die "Woche für das Leben" ist seit mehr als 20 Jahren die ökumenische Aktion der evangelischen und katholischen Kirche für den Schutz und die Würde des Menschen vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Die Woche gibt es seit 1991. Sie geht auf eine Initiative der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zurück, die nach der Neufassung des Abtreibungsrechts die Debatte über den Lebensschutz wachhalten wollten. 1994 schloss sich die EKD der Aktion an.