Die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel in der Türkei sorgt weiter für Empörung. Die Bundesregierung bekräftigte am Mittwoch ihre Erwartung, dass Yücel so bald wie möglich wieder freikomme. Der Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" habe sich freiwillig der türkischen Justiz gestellt, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Schon deshalb sei es völlig unverhältnismäßig, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Auch die EU-Kommission beschäftigte sich mit dem Fall.
"Deniz Yücel soll wissen, wir denken an ihn", sagte Seibert. Man setze sich auf allen diplomatischen Kanälen für den Korrespondenten ein. Die Bundesregierung dringe darauf, dass Konsularbeamte Yücel umfassend betreuen können. Der Journalist hat die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Seibert verwies darauf, dass sechs weitere deutsche Staatsbürger teils aufgrund unklarer Vorwürfe in der Türkei inhaftiert sind. "Es darf nicht sein, dass Menschen einfach so auf längere Zeit in Gefängnissen verschwinden", sagte Seibert.
Bundesregierung bekräftigt Unterstützung für inhaftierten Journalisten
Ein Haftrichter in Istanbul hatte am Montag entschieden, dass der 43-jährige Yücel nach knapp zwei Wochen in Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft muss. Yücel wurde am Mittwoch nach Angaben seiner Zeitung in das Gefängnis von Silivri verlegt. In der Haftanstalt in der Nähe von Istanbul sitzen zahlreiche weitere Journalisten ein. Der "Welt"-Korrespondent hatte sich am 14. Februar freiwillig der Polizei gestellt.
Die EU-Kommission verknüpfte den Fall Yücel mit dem möglichen EU-Beitritt der Türkei. Als Beitrittskandidat müsse das Land "die höchsten demokratischen Standards und Praktiken erfüllen", erklärte eine Sprecherin in Brüssel auf Anfrage. Die EU-Kommission sei "ernsthaft besorgt über die Inhaftierung einer hohen Zahl von Journalisten und die selektive und willkürliche Anwendung der Anti-Terror-Gesetzgebung". In der Türkei sitzen derzeit nach Angaben der Online-Plattform P24 155 Journalisten und Medienmitarbeiter im Gefängnis.
Wie genau Brüssel Druck auf Ankara macht, erläuterte die Kommission nicht. Die EU-Beitrittsgespräche sind seit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei und der harten Reaktion unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht ausgesetzt worden, allerdings wurden auch keine neuen Verhandlungskapitel aufgeschlagen.
Die Bundesregierung machte in diesem Zusammenhang keine konkreten Angaben, verwies aber auf die beschädigten deutsch-türkischen Beziehungen. Nach der Verhaftung Yücels wird derzeit über ein Einreiseverbot für den türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Deutschland diskutiert. Regierungssprecher Seibert wiederholte, dass es derzeit keine Anfrage für einen Besuch Erdogans gebe. Auch eine Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Türkei sei nicht geplant.
Die türkischen Behörden werfen Yücel nach Angaben seiner Redaktion Propaganda für die linksradikale Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die islamistische Gülen-Bewegung vor. Beide gelten in der Türkei als Terrororganisationen, stehen jedoch auf unterschiedlichen Seiten des politischen Spektrums. Bei Yücels Vernehmung am Montagabend habe der Haftrichter Artikel vorgelegt, die diese Anschuldigungen untermauern sollen. Der Journalist wird demnach außerdem beschuldigt, zu Hass und Feindschaft aufgerufen und Volksverhetzung betrieben zu haben.
Zunächst hatte die "Welt" vermutet, dass gegen Yücel wegen seiner Berichte über gehackte E-Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak ermittelt wird. Die türkischen Behörden halten die Ermittlungsakten wegen Terrorverdachts unter Verschluss.