"Die Weihnachtsbotschaft erreicht uns in diesem Jahr in Tagen voller Hiobsbotschaften", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Freitag in München. Weihnachten lade dazu ein, "sich nicht von der verbreiteten Nervosität und Gereiztheit anstecken zu lassen", sondern der tröstenden Geschichte von der Geburt Jesu und der Nähe Gottes zu den Menschen zu vertrauen, "sie in die Seele einzulassen, und sich von ihr tragen zu lassen".
Mit Blick auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin sagte Bedford-Strohm im hr1-Talk: "Weihnachten ist ein Fest und beinhaltet eine Freude, die das Dunkle mit einschließt, die nicht vor dem Leid davonrennt." Die Geschichte Jesu sei von Anfang an eine Geschichte der Bedrohung, des bedrohten Menschseins. Sie ist aber am Ende "eine Geschichte, die zeigt, dass die Gewalt nicht das letzte Wort hat, sondern dass das Leben siegt. Und deswegen ist dieses Weihnachtsfest mit einer Botschaft gefüllt, die kraftvoller nicht sein könnte, gerade in den schweren Tagen jetzt", sagte Bedford-Strohm nach Angaben des Hessischen Rundfunks in einem Gespräch, das am zweiten Weihnachtstag gesendet wird.
Liebe, die stärker ist, als Gewalt
In seiner Weihnachtsbotschaft stellte so Markus Dröge, Bischof der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, in diesem Jahr die Kraft der Versöhnung und der Mitmenschlichkeit in den Mittelpunkt: "Gott ist Mensch geworden in einem ärmlichen Stall. Er hat sich zur Mitmenschlichkeit bekannt. Und zur Liebe, die stärker ist, als Gewalt und Hass es sein können. In Berlin denken wir besonders an die Opfer der Terrortat, an die Verletzten, an alle Trauernden. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ist neu zu einem besonderen Ort geworden: Mahnmal für die Zerstörungskraft der Gewalt, aber auch Symbol für die Versöhnung, die noch stärker ist. Alle friedfertigen Menschen rücken in diesen Tagen zusammen, in denen die Weihnachtsbotschaft neu dazu einlädt, auf die Kraft der Mitmenschlichkeit zu vertrauen."
Bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz waren am Montagabend zwölf Menschen getötet worden. Der Tatverdächtige, der Tunesier Anis Amri, wurde am Freitag in der Nähe von Mailand von der italienischen Polizei erschossen.
Der katholische Erzbischof Heiner Koch sagte in seiner Weihnachtsbotschaft, in diesem Jahr falle es ihm besonders schwer, an den Frieden auf Erden zu glauben. Das Christentum habe die Welt nicht wirklich zu einem besseren Ort gemacht. Trotzdem wolle er aber nicht resignieren, sagte Koch, sondern er feiere Weihnachten 2016 noch bewusster als in den vergangenen Jahren. "Mir ist bewusst geworden, dass Weihnachten eine ernste Angelegenheit ist, eine radikale Anfrage an einen jeden, der sich Christ nennt. Es ist die Anfrage an uns, wie ernst es uns mit dem Frieden ist." Ein erster Schritt könne sein, dass Christen, Atheisten, Juden und Muslime endlich aufhören, einander vorschnell den guten Willen abzusprechen.
Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, rief nach dem Anschlag zu einem friedlichen Miteinander auf. In ihrem am Freitag in Magdeburg veröffentlichtem Weihnachtswort sagt sie: "In unserem Land steigt die Angst: vor dem Fremden, vor der weltweit zunehmenden Aggression und Gewalt." Der Anschlag in Berlin habe tief erschüttert. Zugleich warnte sie vor einer zunehmenden harten und kalten Gesellschaft. "Mitgefühl ist unser lebendiger Impuls. Nicht die Gnadenlosigkeit oder Resignation", sagte die Landesbischöfin.
Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh erinnerte zu Weihnachten an den Trost der Weihnachtsgeschichte. "Weihnachten kommt ein Leuchten in die Welt – es leuchtet in die mächtige Dunkelheit, die wir in diesem Jahr in den Schrecken von Flucht, von Krieg und Bürgerkrieg, von Hunger und Terroranschlägen erlebt haben", sagte der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden. "Weihnachten und die Botschaft vom Frieden gehören zusammen, auch und gerade nach den schrecklichen Ereignissen von Berlin", sagte der der württembergische Landesbischof Frank Otfried July. In seiner Weihnachtsbotschaft gedachte er der Opfer des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin. Des Weiteren wies er auf die Not der Menschen in den Kriegsgebieten in Syrien und anderswo hin. "Unsere Welt braucht Friedensstifter", sagte July angesichts dieser Lage.
"Feiert gemeinsam ein fröhliches Fest"
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat Weihnachten als Antwort auf verbreitete Hoffnungslosigkeit und Sorge bezeichnet. Die Weihnachtsbotschaft sei das Gegenteil "von den massenhaften Nachrichten via Twitter und Facebook, die bewusst oder ungewollt nur Verunsicherung, Meinungsmanipulation und Angst zum Ziel" hätten, sagte Meister in seiner Predigt an Heiligabend in der Marktkirche in Hannover nach einem vorab verbreiteten Redetext. Er unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung des biblischen "Fürchtet Euch nicht" aus der Weihnachtsgeschichte.
Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, hat dazu aufgerufen, Weihnachten in diesem Jahr bewusst als „Fest des Lebens“ zu feiern. "Liebt das Leben, feiert gemeinsam ein fröhliches Fest, nehmt euch Zeit füreinander", sagte die Bischöfin in ihrer Weihnachtsbotschaft. "Singt gemeinsam und betet gemeinsam. Gebt den Kindern festen Halt in unseren guten christlichen Traditionen. Das wird sie ein Leben lang tragen."
Ökumenische Begegnungen
Der Weltkirchenrat forderte in seiner Weihnachtsbotschaft einen besonderen Schutz für Kinder. In allen Ländern der Erde seien sie Risiken und Bedrohungen ausgesetzt, erklärte der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf. Konflikte, Gewalt und andere Angriffe auf ihre verletzlichen Körper und Seelen machten aus vielen kleinen Menschen schon früh Opfer. Mehr Kinder als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg seien auf der Flucht. Laut UN sind etwa die Hälfte aller 65 Millionen Flüchtlinge Mädchen und Jungen. Im Weltkirchenrat sind protestantische, anglikanische und orthodoxe Kirchen vertreten. Die katholische Kirche ist kein Mitglied.
Der Lutherische Weltbund (LWB) rief dazu auf, die Weihnachtszeit mit Freude zu begehen. Das gelte auch, wenn die "schönen Bilder und frohmachenden Botschaften" oft im Kontrast zu den weltweiten Problemen und Konflikten stünden, erklärte LWB-Präsident Munib Younan. Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land erinnerte zugleich an das Gemeinsame katholisch-lutherische Reformationsgedenken mit Papst Franziskus, das im Oktober im schwedischen Lund stattfand. Dieses historische Ereignis habe gezeigt, dass die Christen mehr eine als trenne.