Oslo, Frankfurt a.M. (epd). Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. Das teilte das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit. Der 65-Jährige erhalte den Preis für seine Bemühungen, den Krieg in seinem Land zu beenden, sagte die Komitee-Vorsitzende Kaci Kullmann Five. Damit wolle das Nobel-Komitee all diejenigen ermutigen, "die Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit in Kolumbien" anstreben. Die Ehrung gelte auch den Opfern des Konflikts und der gesamten kolumbianischen Bevölkerung, die die Hoffnung auf Frieden nicht aufgegeben habe.
"Im Namen des kolumbianischen Volkes"
"Ich nehme den Nobelpreis im Namen des kolumbianischen Volkes an, das so sehr unter diesem Krieg gelitten hat", erklärte Santos. Die Verleihung des Preises an Kolumbien sei "von unschätzbarem Wert" bei dem Versuch, den Friedensprozess weiter voranzutreiben. "Wir sind dem Frieden sehr, sehr nahe", sagte der Staatschef.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die Entscheidung des Nobel-Komitees ein Zeichen der Hoffnung. Der Friedensprozess in dem südamerikanischen Land sei eine Inspiration für die ganze Welt, erklärte Ban. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, sagte, mit dem Preis werde der politische Mut des Präsidenten belohnt.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte den Durchhaltewillen von Santos. "Möge der Friedensnobelpreis Sie ermutigen und Ihnen Kraft geben, Ihren Weg fortzusetzen", schrieb Gauck in einer Gratulation. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Santos. Er habe nicht nur seinem Land, sondern der ganzen Region "dringend benötigte neue Hoffnung verliehen auf ein Ende des Blutvergießens", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Der Krieg begann vor 52 Jahren
Fast vier Jahre lang hatten die Regierung und die Farc-Rebellen ein Friedensabkommen ausgehandelt, das am 26. September unterzeichnet worden war. In einem Referendum lehnte die Bevölkerung den Vertrag jedoch mit knapper Mehrheit ab. Sowohl Santos als auch Farc-Chef Rodrigo Londoño halten dennoch am Waffenstillstand fest. Derzeit laufen Verhandlungen mit Gegnern des Vertrags. Der Krieg zwischen dem kolumbianischen Staat und der Farc begann vor 52 Jahren und ist der älteste und längste in Lateinamerika. Viele hatten erwartet, dass neben Santos auch Londoño mit dem Friedensnobelpreis geehrt wird.
Die Farc-Guerilla kommentierte die Preisverleihung an Santos zurückhaltend. "Der einzige Preis, den wir anstreben, ist ein Frieden mit sozialer Gerechtigkeit für Kolumbien, ohne Paramilitarismus, ohne Rache und ohne Lügen", schrieb Londoño im Kurznachrichtendienst Twitter.
Komitee-Sprecherin Kullmann Five erklärte, trotz des gescheiterten Referendums habe Santos den blutigen Konflikt in die Nähe einer friedlichen Einigung gebracht. Es bestehe jedoch die reale Gefahr, dass der Friedensprozess zum Stillstand kommt und der Bürgerkrieg wieder aufflammt. "Das macht es noch wichtiger, dass die Konfliktparteien, angeführt von Präsident Santos und Farc-Rebellen-Chef Londoño, die Waffenruhe anerkennen", sagte Kullmann Five.
So viele Nominierte wie noch nie
Santos, der aus einer reichen kolumbianischen Familie stammt, verknüpfte sein politisches Schicksal schon zu Beginn seiner Präsidentschaft mit dem Friedensprozess. In den Reihen seiner konservativen politischen Heimat löst sein Engagement Kopfschütteln bis Ärger aus. Santos war unter seinem Vorgänger Álvaro Uribe (2002-2010) als Verteidigungsminister verantwortlich für eine Militäroffensive, die die FARC-Guerilla entscheidend in die Enge trieb. Uribe ist mittlerweile sein erbittertster Kritiker.
Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigste Auszeichnung für Verdienste um Abrüstung, Friedenssicherung und Menschenrechte. Gestiftet wurde sie von dem schwedischen Unternehmer und Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel (1833-1896). Die Verleihung findet jedes Jahr am Todestag Nobels, dem 10. Dezember, in Oslo statt. Aktuell ist der Preis mit acht Millionen schwedischen Kronen (etwa 832.000 Euro) dotiert.
In diesem Jahr wurden 376 Persönlichkeiten und Organisationen nominiert, so viele wie noch nie. 2015 ging der Friedensnobelpreis an das "Quartett für den nationalen Dialog" in Tunesien für Bemühungen für eine Demokratisierung des Landes.