Nach der Sommerpause im Bundestag geht der Streit um die geplante Erlaubnis für Forschungen an nicht einwilligungsfähigen Patienten weiter. Am Dienstag, dem ersten Sitzungstag des Parlaments nach den Ferien, bekräftigte die Gruppe der Gegner im Bundestag ihr Ziel, die jetzige Gesetzeslage beizubehalten. Derzufolge sind Tests an Probanden verboten, die davon selbst keinen Nutzen haben. Fragen der Ethik würden sehr tief berührt, warnte Ulla Schmidt (SPD). Es sei ein Thema, "das die Würde des Menschen in besonderer Art und Weise betrifft", sagte Uwe Schummer (CDU).
Um die von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Gesetzesänderung wird seit längerem erbittert gerungen. Die Abstimmung über die Regelung wurde vor der Sommerpause wegen des Streits kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Nach bisheriger Planung soll nun Ende September im Bundestag beraten werden, sagte Schmidt. Die Gruppe, der Abgeordnete aller Fraktionen angehören, forderte, das Thema intensiv auch in einer Sachverständigenanhörung zu diskutieren.
Kritiker: Gefahr eines Dammbruchs
Gröhe will im Arzneimittelgesetz sogenannte gruppennützige Forschung, von der der betroffene Proband selbst keinen Nutzen hat, an nicht einwilligungsfähigen Patienten erlauben, wenn sie zuvor in einer Patientenverfügung zugestimmt haben. Als Beispiel wird vor allem die Forschung gegen Demenz ins Feld geführt. Betroffen könnten aber auch Komapatienten oder psychisch Kranke sein.
In Gröhes Gesetzentwurf ausgeschlossen sind Minderjährige und von Geburt an nicht einwilligungsfähige Menschen und damit Behinderte. Forschung an Menschen, die Bedeutung und Tragweite von medizinischen Tests nicht erkennen können, ist heute nur dann erlaubt, wenn die Probanden selbst und nicht nur andere Kranke davon profitieren könnten.
Die Gruppe, der neben Schmidt und Schummer Kathrin Vogler (Linke) und Kordula Schulz-Asche (Grüne) angehören, sieht bei einer Änderung der Regelung die Gefahr eines Dammbruchs. Schummer warnte, es gehe nicht nur um die Frage, ob Blutproben genommen werden, sondern auch darum, ob Demenzkranke für eine MRT-Untersuchung zu Forschungszwecken fixiert werden.
Eine vorherige Zustimmung in einer Patientenverfügung hält die Gruppe für problematisch, weil zum Zeitpunkt des Verfassens das konkrete Studiendesign gar nicht bekannt sei, erklärten Schummer und Schulz-Asche. Vogler betonte, es sei damit ein Angriff auf das bislang stets gültige Konzept der informierten Zustimmung. Der katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Ethikrat, gab zudem zu bedenken, dass es das Recht eines jeden Probanden sei, aus einem Test wieder auszusteigen. Bei nicht einwilligungsfähigen Probanden sei das nicht möglich.
Die überfraktionelle Gruppe wirbt nun um Unterstützer. Für Dienstag war ein Fachgespräch für alle interessierten Abgeordneten geplant. Neben dem Änderungsantrag der Gruppe liegen zwei weitere Vorschläge vor, die die gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten erlauben, wenn vor der schriftlichen Einwilligung eine Aufklärung durch den Arzt stattgefunden hat oder auf diese ausdrücklich verzichtet wird. Für die Abstimmung über die Gesetzesänderung wurde bereits wie bei Gewissensentscheidungen üblich der Fraktionszwang aufgehoben.