Berlin (epd). Die Diskussion über ein Burka-Verbot in Deutschland hält an. Der Staatsrechtler Rupert Scholz sprach sich in der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe) für ein Verbot der Vollverschleierung von Frauen aus. Dies sei auch verfassungsmäßig möglich, sagte er. Mit der Bestätigung des französischen Burka-Verbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2014 sei klargestellt, dass ein Verbot der Vollverschleierung in Deutschland weder gegen das Grundgesetz noch gegen europäisches Recht verstoßen würde. Der Deutsche Anwaltverein und der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis widersprachen dieser Rechtsauslegung. Die CDU-Spitze zeigte sich unterdessen offen für Einschränkungen bei der Vollverschleierung.
Unions-Innenminister sollen Einschränkungen prüfen
Generalsekretär Peter Tauber sagte nach einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin, in seiner Partei stimme man darin überein, dass Vollverschleierung das Gegenteil von Integration sei und nicht zu Deutschland passe. Die Unions-Innenminister sollten jetzt Bereiche prüfen, in denen eventuell einschränkende Regelungen getroffen werden könnten. Als Beispiele nannte Tauber den Straßenverkehr, Auftritte vor Gericht oder Besuche bei Behörden.
Unionspolitiker hatten in der vergangenen Woche gefordert, die Vollverschleierung von Frauen zu verbieten. Sie hatten sich unter anderem in einem Entwurf zu einer "Berliner Erklärung" für ein Burka-Verbot ausgesprochen. Die CDU/CSU-Innenminister der Länder kommen Ende dieser Woche zu einer Konferenz in Berlin zusammen. Eingeladen ist auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der sich mehrfach skeptisch zum Burka-Verbot geäußert hat.
Staatsrechtler Scholz zufolge müsste ein Burka-Verbot mit Bußgeldern im Sinne einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Ordnungsämter sollten dabei von Polizeikräften unterstützt werden, sagte er.
"Erhebliche Gründe" nötig
Kritik an Scholz' Rechtsauslegung kam vom Deutschen Anwaltverein. Rechtsanwalt Swen Walentowski sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), aus dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs folge nicht zwangsläufig, dass ein Burka-Verbot in Deutschland mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Der Gerichtshof habe nicht die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft. Auch habe das Bundesverfassungsgericht stets betont, "dass das Grundgesetz vorgeht".
Um das Grundrecht der Religionsfreiheit einzuschränken, "bedarf er erheblicher Gründe", führte Walentowski aus. "So müssten beispielsweise die Grundrechte anderer betroffen sein." Auch müsse der Sinn eines Verbots geprüft werden, sagte der Jurist. Zur Terrorabwehr sei dies "ein untaugliches Mittel und daher würde es an der Notwendigkeit fehlen".
Auch frauenrechtliche Motive müssten eingehend beleuchtet werden. Ein Verbot der Burka könnte dazu führen, dass sich heute vollverschleierte Frauen künftig gar nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegten. Dies wäre ein "Bärendienst" für die Betroffenen.
Kritik aus der SPD
Staatsrechtler Ulrich Battis warnte: "Das Bundesverfassungsgericht würde ein Verbot als Verstoß gegen die Religionsfreiheit kassieren." Zwar habe der Europäische Gerichtshof mit Blick auf Frankreich anders geurteilt, doch sei Frankreich laizistisch, lege also Wert auf eine strikte Trennung von Staat und Kirche, sagte er der "Berliner Zeitung" (Dienstagsausgabe). In Deutschland hingegen existiere ein sehr enges Kooperationsverhältnis, das nun auch für das Verhältnis zu den Muslimen angestrebt werde.
Auch aus den Reihen der SPD wurde Kritik am Burka-Verbot laut. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger nannte die Unions-Vorschlag "plumpe Anbiederungen an die rechte Klientel". "Was sollte das zur Sicherheit beitragen?", fragte er in der "Neuen Westfälischen" (Montagsausgabe). Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hält den Vorschlag ebenfalls nicht dafür geeignet, um die Sicherheit zu erhöhen. Der "Neuen Presse" (Montagsausgabe) sagte er, das Burka-Verbot habe die Pariser Anschläge nicht verhindern können.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, lehnte ein Burka-Verbot ebenfalls ab. "Ich halte nichts von der Burka", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" in Halle (Dienstagsausgabe). "Aber ich bin gegen ein Verbot. Denn gegen religiöse Vorstellungen, die meistens auch noch reaktionär sind, kann man so nichts ausrichten." Die Debatte unter dem Aspekt Sicherheit zu führen nannte er "kindisch".