Die Lage der Menschen in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo bleibt verzweifelt. Eine schnelle Lösung zur Versorgung von rund 250.000 eingeschlossenen Männern, Frauen und Kindern zeichnete sich am Montag nicht ab. Die Bundesregierung mahnte einen ungehinderten Zugang in die Stadt an, um Nahrungsmittel und medizinischen Bedarf zu liefern. Das Töten und Sterben müsse ein Ende haben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte bei einem Treffen mit seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Jekaterinburg, Russland solle einer längeren Feuerpause zustimmen. Der Außenminister habe an die Verantwortung Russlands appelliert, "hier seinen Beitrag zu leisten, damit es nicht zu einer humanitären Katastrophe kommt", sagte eine Ministeriumssprecherin. Bislang hat sich Russland, das an der Seite der syrischen Regierungstruppen kämpft, nur zu einer täglichen Waffenruhe von drei Stunden bereiterklärt.
Steinmeier setzt vor allem auf die Versorgung der Menschen über den Landweg. Auch über Hilfe aus der Luft werde nachgedacht, etwa um medizinisches Gerät in die Stadt zu bringen, sagte die Sprecherin. Eine permanente Luftbrücke sei bei den jetzigen Gegebenheiten in Aleppo hingegen nicht realistisch. Die Sprecherin wies Medienberichte vom Wochenende zurück, wonach Steinmeier über eine permanente Versorgung der Menschen über die Luft nachdenke.
Diakonie Katastrophenhilfe: Luftbrücke "sehr, sehr schwierig"
Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner plädierte dagegen für eine Luftbrücke. Die Unterstützungsgruppe für Syrien habe bereits im Mai beschlossen, dass es bei umzingelten Städten eine Luftbrücke geben soll, sagte sie dem Radiosender SWRinfo. Brantner räumte ein, dass dies am Veto Russlands im UN-Sicherheitsrat scheitern könne. Man müsse jedoch auf jeden Fall versuchen, dort eine Mehrheit zu erlangen. Man könne nicht zuschauen, wie eine Viertelmillion Menschen sterbe "und es nicht mal versucht zu haben".
Bernd Eichner von der Hilfsorganisation Medico International sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), nur eine längere Feuerpause könne die Versorgung der notleidenden Bevölkerung mit dem Allernötigsten gewährleisten. Die Idee einer Luftbrücke wertete Eichner als "Forderung der puren Verzweiflung", weil der Luftraum über Aleppo der am stärksten umkämpfte der gesamten Krisenregion sei.
Die Diakonie Katastrophenhilfe hält eine Luftbrücke aus logistischen Gründen für "sehr, sehr schwierig". Größere Hilfspakete könnten aus Sicherheitsgründen nicht über der Stadt abgeworfen werden, sagte Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei einem Abwurf außerhalb bleibe das Problem, die Lieferungen in die Stadt zu bekommen. Zudem könne niemand sicherstellen, dass die Pakete tatsächlich bei den Bewohnern ankämen.
Waffenpause gefordert
Gerade medizinische Güter seien bei den kämpfenden Truppen begehrt, sagte Füllkrug-Weitzel und unterstützte die Forderung nach einer Waffenpause. "Das Ziel muss eine längere Pause zur Versorgung der Bevölkerung sein - als Einstieg in einen umfassenden Waffenstillstand", sagte sie. "Eine Luftbrücke ist leider keine Lösung, so sehr wir alle eine wünschen."
Laut Unicef gibt es seit einer Woche in Aleppo kein fließendes Wasser mehr, weil Pumpstationen mehrfach bombardiert wurden. Das sei insbesondere für Kinder gefährlich. "Wir sind sehr besorgt, dass es zum Ausbruch von Seuchen und schweren Krankheiten kommt", sagte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden im WDR-Radio. Auch er unterstützt die Forderung der Vereinten Nationen nach einer mindestens 48-stündige Feuerpause. Die von Russland verkündete dreistündige Feuerpause pro Tag sei zu kurz.
Im Syrien-Krieg kämpft das Assad-Regime mit russischer Unterstützung gegen Rebellengruppen und Terrormilizen wie den "Islamischen Staat" (IS). Nach Schätzungen von UN-Mitarbeitern kamen seit 2011 mindestens 300.000 Menschen ums Leben. Millionen Männer, Frauen und Kinder sind innerhalb und außerhalb Syriens auf der Flucht.