Berlin (epd). Die Diskussion über ein Burka-Verbot in Deutschland hält an. Der Staatsrechtler Rupert Scholz sprach sich in der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe) für ein Verbot der Vollverschleierung von Frauen aus und hält dies auch verfassungsmäßig für möglich. Er sagte, mit der Bestätigung des französischen Burka-Verbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2014 sei klargestellt, dass ein Verbot der Vollverschleierung in Deutschland weder gegen das Grundgesetz noch gegen europäisches Recht verstoßen würde. Der Deutsche Anwaltverein widersprach dieser Rechtsauslegung.
Unionspolitiker hatten in der vergangenen Woche wiederholt gefordert, die Vollverschleierung von Frauen zu verbieten. Sie hatten sich unter anderem in einem Entwurf zu einer "Berliner Erklärung" für ein Burka-Verbot ausgesprochen, was in der vergangenen Woche bekannt geworden war. Die CDU/CSU-Innenminister der Länder kommen Ende dieser Woche zu einer Konferenz in Berlin zusammen. Eingeladen ist auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der sich mehrfach skeptisch zum Burka-Verbot geäußert hat.
Staatsrechtler Scholz zufolge müsste ein Burka-Verbot mit Bußgeldern im Sinne einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Ordnungsämter sollten dabei von Polizeikräften unterstützt werden, sagte er.
"Erhebliche Gründe" nötig
Kritik an Scholz' Rechtsauslegung kam vom Deutschen Anwaltverein. Rechtsanwalt Swen Walentowski sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), aus dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs folge nicht zwangsläufig, dass ein Burka-Verbot in Deutschland mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Der Gerichtshof habe zum einen nicht die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft. Zum anderen habe das Bundesverfassungsgericht stets betont, "dass das Grundgesetz vorgeht".
Um das Grundrecht der Religionsfreiheit einzuschränken, "bedarf es erheblicher Gründe", führte Walentowski aus. "So müssten beispielsweise die Grundrechte anderer betroffen sein." Auch müsse der Sinn eines Verbots geprüft werden, sagte der Jurist. Zur Terrorabwehr sei dies "ein untaugliches Mittel und daher würde es an der Notwendigkeit fehlen".
Auch frauenrechtliche Motive müssten eingehend beleuchtet werden. Ein Verbot der Burka könnte dazu führen, dass sich heute vollverschleierte Frauen künftig gar nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegten. Dies wäre ein "Bärendienst" für die Betroffenen.
Kritik aus der SPD
Auch aus den Reihen der SPD wurde Kritik am Burka-Verbot laut. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger nannte die Unions-Vorschlag "plumpe Anbiederungen an die rechte Klientel". "Was sollte das zur Sicherheit beitragen?", fragte er in der "Neuen Westfälischen" (Montagsausgabe).
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hält den Vorschlag ebenfalls nicht geeignet, um die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Pistorius sagte der "Neuen Presse" (Montagsausgabe): "In Frankreich gibt es ein Burka-Verbot". Dieses habe die verheerenden Anschläge vom 13. November in Paris allerdings nicht verhindern können. Auch gebe es in Deutschland kein Recht darauf, im öffentlichen Raum in das Gesicht eines anderen Menschen schauen zu dürfen. Das müsse jeder Deutsche "individuell und auch rechtsstaatlich aushalten".