Berlin (epd). Der Bundesbeauftragte Roland Jahn erinnerte am Freitag bei der Einweihung einer Gedenktafel für unbekannte Mauertote im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick an Schicksale, die wegen der Verschleierungen durch die DDR-Behörden teilweise bis heute ungeklärt sind. Auch Sachsen-Anhalts Stasi-Landesbeauftragte Birgit Neumann-Becker warb um mehr Anerkennung für Maueropfer und deren Familien.
In der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße wird am Samstag mit einer zentralen Feierstunde an den Bau der martialischen Grenzanlage zwischen Ost und West vor 55 Jahren erinnert. Mit der Berliner Mauer riegelte das DDR-Regime am 13. August 1961 die Grenze zwischen Ost- und Westberlin hermetisch ab. Das Bauwerk stand 28 Jahre lang bis zum 9. November 1989 für Repression und Unfreiheit. Zahlreiche DDR-Bürger kamen bei Fluchtversuchen ums Leben. Die genaue Zahl der Mauertoten ist nicht bekannt, häufig wird auf Grundlage historischer Forschungen die Zahl von 138 Toten genannt.
"Viele halfen mit beim Täuschen und Vertuschen"
Der Schrecken der Berliner Mauer wirkt nach Überzeugung des Stasi-Unterlagen-Beauftragten Jahn bis heute nach. Dutzende von Menschen seien so einfach von der Bildfläche verschwunden. Angehörige hätten teilweise erst nach Jahrzehnten Aufklärung über deren Schicksal erhalten, manche hätten sogar nie eine Antwort auf ihre Fragen bekommen.
"Die Stasi führte Regie, und viele halfen mit beim Täuschen und Vertuschen", sagte der Bundesbeauftragte. Die Unkenntnis über das Schicksal von Angehörigen habe die Unmenschlichkeit eines Todesschusses an der Mauer "um ein Vielfaches potenziert", sagte Jahn: "Aus Tagen und Monaten der Ungewissheit wurden Jahre und Jahrzehnte der Leere, der Suche, des Zweifelns."
Sachsen-Anhalts Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Neumann-Becker, beklagte, bis heute erführen die Angehörigen der Getöteten in ihrem gesellschaftlichen Umfeld kaum Mitgefühl und Anerkennung. Staatliche Stellen informierten die Angehörigen oft nicht korrekt. Zudem seien bislang nicht alle an der Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze zu Tode gekommenen Menschen beigesetzt, weil die Leichname nicht herausgegeben wurden.
Mit Gedenkminute begonnen
Die Veranstaltungen zum Gedenken an den 55. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer hatten am Freitagvormittag mit einer Gedenkminute am Berliner Reichstagsgebäude begonnen. Initiator der Gedenkminute am Kreuz für den 1965 von DDR-Grenztruppen erschossenen Heinz Sokolowski war das private Mauermuseum im Haus am Checkpoint Charlie, dem früheren Grenzübergang für Ausländer, Botschaftspersonal und alliierte Militärangehörige.
Scharfe Kritik gab es an einer für Samstag geplanten Aktion von DDR-Befürwortern am Brandenburger Tor. Der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sagte, es sei "an Zynismus kaum zu überbieten, ausgerechnet dort und an diesem Tag die tödliche DDR-Grenze zu rechtfertigen". Seinen Angaben zufolge hat der Verein "Unentdecktes Land e.V." zu der umstrittenen Aktion auf dem Pariser Platz aufgerufen.