Afrika-Expertin: Südsudan versinkt in Chaos und Gewalt

Afrika-Expertin: Südsudan versinkt in Chaos und Gewalt
Die Konfliktforscherin Annette Weber beobachtet zunehmend mit Sorge die Situation der Menschen im Südsudan. Einige Teile des Landes seien bereits nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung. Für die prekäre Entwicklung gibt es laut der Afrika-Expertin viele Gründe.

Die Lage im Südsudan wird nach Einschätzung der Konfliktforscherin Annette Weber immer unübersichtlicher und
gewalttätiger. Die zunehmende Militarisierung und Aufteilung des Landes könne zu einer Entwicklung wie in Somalia und Libyen führen, wo die Regierungen die Macht über das eigene Land verloren haben, sagte die Forscherin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Trotz eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellen eskalierte die Gewalt im ostafrikanischen Land Anfang Juli erneut. Etwa 300 Menschen wurden getötet.

«Die Regierung kontrolliert heute schon nicht mehr alle Teile des Landes», erklärte Weber. Stattdessen würden beispielsweise in den ölreichen Bundesstaaten im Süden vor allem lokale Milizen die Macht übernehmen und an Straßensperren Passier-Steuern erpressen. Ähnliche Entwicklungen fanden in den vergangenen Jahren bereits in Libyen und Somalia statt. Der Südsudan ist der Forscherin zufolge dabei, ein weiterer gescheiterter Staat zu werden.

Weber: Südsudanesische Eliten kaum für Frieden eingesetzt

Der Südsudan ist das jüngste Land Afrikas, er wurde erst 2011 vom Sudan unabhängig. Am Unabhängigkeitstag, dem 9. Juli, brachen neue Kämpfe zwischen Anhängern von Präsident Salva Kiir und seines Rivalen, Vizepräsident Riek Machar, aus. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die jüngste Eskalation verantwortlich. Kiir hat
Ex-Rebellenführer Machar inzwischen als Vizepräsident abgesetzt. Ein Friedensabkommen, das im August 2015 unterzeichnet wurde, wurde von beiden Parteien kaum umgesetzt.

Afrika-Expertin Weber sieht Kiir und Machar deshalb als Teil des Problems. «Die südsudanesischen Eliten haben wenig Interesse an der eigenen Bevölkerung gezeigt und sich nicht als deren legitime Vertreter hervorgetan», sagte Weber. Beide hätten Hilfsgelder und Steuern vor allem für Waffen und Soldaten ausgegeben. Zudem hätten sie sich kaum für den Erfolg des Friedensabkommens eingesetzt, weil sie es als von den Vereinten Nationen und ausländischer Regierungen auferzwungen gesehen hätten.

Die internationale Gemeinschaft müsse deshalb sensibel und bestimmt zugleich auftreten, sagte Weber. «Ein weiteres Abkommen unter internationaler Verhandlung, in dem sich die Konflikt-Parteien nicht repräsentiert sehen, hat wenig Chancen auf Erfolg.» Als Alternative nennt die Konflikt-Forscherin das Verhängen eines Waffenembargos und Sanktionen gegen Personen wie Kiir, Machar und deren Umfeld. Langfristig könnte die Weltgemeinschaft versuchen, in junge, aufstrebende Politiker zu investieren, die sich stärker für Frieden engagieren.

Der jüngste Konflikt begann Ende 2013, als Kiir Vizepräsident Machar wegen eines angeblichen Putsch-Versuchs aus dem Amt entließ. Bei der Unabhängigkeit 2011 gab es die Hoffnung, ein eigener Staat könnte Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in die Region bringen und die Konflikte um Macht und Verteilung der Rohstoffe lösen. In den vergangenen Jahren haben sich jedoch sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Situation noch
verschlechtert.