Die Einschränkungen für Akademiker in der Türkei haben auch negative Folgen für deutsche Bildungsangebote. Das Goethe-Institut sagte seine Jugendkurse in der Türkei für den Sommer ab. "Wir halten es im Moment einfach für nicht berechenbar", sagte der Regionalleiter Südosteuropa, Matthias Makowski, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das PEN-Zentrum sorgt sich um die Lage von Journalisten und Intellektuellen in der Türkei. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan versuche, eine "Meinungsdiktatur" zu errichten, sagte der Präsident des deutschen Zentrums, Josef Haslinger. Pro Asyl rechnet mit der Flucht von Akademikern.
Tausende Lehrer entlassen
Nach dem Putschversuch vom vergangenen Wochenende wurden in der Türkei Tausende Lehrer entlassen, Hochschulmitarbeitern der Rücktritt nahegelegt und ein Ausreiseverbot für Akademiker verhängt. Das wirkt sich auch auf Angebote des Goethe-Instituts aus. Makowski zufolge wurde bereits ein Residenzprogramm für türkische Fotografen in Deutschland abgebrochen, weil die Teilnehmer wieder abreisen mussten.
Vor dem Aus stehen auch die Fortbildungsangebote für türkische Deutschlehrer, für die in diesem Sommer bis zu 3.000 Teilnehmer erwartet wurden. "Wir wissen, dass viele nicht anreisen werden. Einige wurden bereits zurückbeordert", sagte Makowski. Drei Jugendlichen sei die Ausreise zu Kursen in Deutschland verboten worden.
Bildungsministerium prüft Kooperation mit Universität
Das Bundesbildungsministerium äußerte sich auf Anfrage ebenfalls besorgt über das Ausreiseverbot. Es werde geprüft, ob sich geplante Kooperationsprojekte unter den Umständen noch verwirklichen lassen, erklärte ein Sprecher. Das Ministerium unterstützt unter anderem die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul. Dem Ministeriumssprecher zufolge gilt für deutsche Angestellte eine Ausnahmeregelung. Sie könnten dienstliche Aufträge planmäßig beenden und auch Neuanträge stellen, die individuell bewilligt werden können. Eine Urlaubssperre für nicht-deutsche Kollegen sei aufgehoben worden. Die Auswirkungen des Ausreiseverbots ließen sich noch nicht abschließend einschätzen, sagte der Sprecher.
PEN-Präsident Haslinger sagte, es sei insgesamt mit einer verschärften Verfolgung von Intellektuellen zu rechnen: "Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat jegliche Opposition ausgeschaltet." Eine "Meinungsdiktatur" sei immer schon dessen Ziel gewesen. Es gebe in der Türkei keinerlei kritische Presse zum Vorgehen des Staatschefs, "weil die, die jetzt noch nicht entlassen sind, sich nicht trauen".
Pro Asyl rechnet damit, dass Wissenschaftler aus dem Land fliehen und auch in Deutschland um Asyl bitten werden. "Die Entlassungen und Verfolgungen bedeuten für viele praktisch eine Existenzvernichtung", sagte der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Freitagsausgabe). Der Leiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen, Halil Usculan, sagte dem Blatt, die Türkei riskiere mit den Massenentlassungen "den Bildungsrückstand einer ganzen Generation".
Sogar Flüchtlingshilfe bedroht
Auch Bildungsprojekte für syrische Flüchtlinge des Goethe-Instituts sind Makowski zufolge durch die Entwicklungen in der Türkei bedroht. Die Nichtregierungsorganisationen, mit denen das Institut dabei eng zusammenarbeite, setze man derzeit einer Gefahr aus, wenn man die Kontakte intensiviere.
Die Aktivitäten der Diakonie Katastrophenhilfe für Flüchtlinge laufen indes weiter, wie eine Sprecherin dem epd sagte. Man beobachte die Situation aber genau. Bei den Projekten der evangelischen Organisation geht es vorrangig um Versorgung von Flüchtlingen.