Vor der Gedenkstätte für die jüdischen Opfer der NS-Zeit in Aurich befindet sich seit neustem eine Kampfarena - wenn auch nur virtuell. Spieler könnten dort mit der neuen Handy-App "Pokémon Go" Monster gegeneinander antreten lassen, berichtet Gunther Siebels-Michel vom Vorstand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Ostfriesland. Von einem Zeitungsredakteur darauf aufmerksam gemacht, hat sich Siebels-Michel selbst davon überzeugt. Er ist empört: "An so einem Ort ist das völlig daneben."
Wo die während der Novemberpogrome 1938 niedergebrannte Auricher Synagoge stand, erinnern heute Basaltsäulen mit Namen an rund 320 ermordete Auricher Juden. "Es ist absolut geschmacklos von den Spiele-Entwicklern, an so einem Ort eine Kampfarena anzulegen", kritisiert Siebels-Michel. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft will nach seinen Worten in ihrer nächsten Sitzung beraten und sich voraussichtlich mit einer Beschwerde an den US-Spiele-Entwickler Niantic wenden.
Noch keine Pokémon-Spieler im KZ Bergen-Belsen beobachtet
Für Schlagzeilen sorgten vor einigen Tagen Bilder von Pokémon-Figuren vor historischen Gedenktafeln des früheren Vernichtungslagers Auschwitz. Die Gedenkstätte hat die Macher von "Pokémon Go" dazu aufgefordert, das Gelände aus dem Spiel zu entfernen. Mit der Einführung des Spieles in Deutschland kommt dieses Thema vermehrt auch auf deutsche Gedenkstätten zu. Wie die Ostfriesischen Nachrichten am Dienstag berichteten, findet sich mit dem Panzergraben-Mahnmal Sandhorst eine weitere bedenkliche Pokémon-Arena in der Region. Das Mahnmal erinnert daran, dass Gefangene der KZ-Außenstelle Engerhafe 1944 zum Bau des Panzergrabens um Aurich eingesetzt waren.
Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller (CSU), hat bereits die Spiele-Entwickler in einem Brief gebeten, die Geolokalisierung der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg in der App weiträumig zu unterdrücken, falls dies noch nicht geschehen sei. "Technisch ist es wohl möglich - und aus Rücksicht und Anstand auch dringend notwendig!", so Freller. Wo genau Arenen oder Pokéstops mit Spieleausrüstung platziert sind, ist erst beim Spielen zu entdecken.
Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten hat bisher laut Sprecher Jens Binner noch keine Pokémon-Spieler etwa auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen beobachtet. "Das liegt vielleicht auch daran, dass Schulferien sind und kaum Schülergruppen kommen", sagt Binner auf epd-Anfrage. "Wir würden natürlich einschreiten, wenn so etwas vorkommt", betont er. In Bergen-Belsen wurden mehr als 50.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene ermordet oder starben an Hunger, Durst, Krankheiten und den Folgen der Haft.
Laut Spiele-Entwickler Niantic sind die Arenen und sogenannten Pokéstops des Spieles an öffentlich zugänglichen Orten platziert worden, darunter Denkmäler, Kunstinstallationen oder Museen. Wer auf unangemessene Orte stoße, könne dies an die Support-Seite von Pokémon im Internet melden. Manche Einrichtungen wie etwa das Städtische Museum Göttingen haben sich durchaus erfreut über die neue Aufmerksamkeit gezeigt.
Das allerdings können Binner und Siebels-Michel mit Blick auf die Gedenkstätten nicht teilen. "Ein ehemaliges KZ darf nicht zur Kulisse für ein Spiel werden, das in keiner Weise dazu anregt, sich mit der Geschichte des Ortes auseinanderzusetzen", betont der Stiftungs-Sprecher. Zumindest der Charakter der Gedenkstätte müsste bewahrt werden, sagt Siebels-Michel.