Der ägyptische Staat gehe rücksichtslos gegen Anhänger des 2013 gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi, Mitglieder der Muslimbruderschaft und andere Regierungskritiker vor, heißt es in einem in Berlin veröffentlichten Amnesty-Bericht. Zu den Opfern gehörten politische Gegner der aktuellen Regierung, darunter auch Kinder. Zeugen berichteten zudem von Folter durch Schlagstockhiebe und Elektroschocks.
Seit der Amtsenthebung Mursis im Sommer vor drei Jahren seien mindestens 34.000 Menschen nach unfairen Prozessen oder auch ohne Gerichtsverfahren inhaftiert worden, hieß es. Hunderte seien zum Tode verurteilt worden. Nach Angaben lokaler Nichtregierungsorganisationen verschleppten Sicherheitskräfte pro Tag durchschnittlich drei bis vier Menschen und hielten sie willkürlich für Tage oder auch Monate auf Polizeiwachen oder in Gebäudekomplexen des Geheimdienstes mitten in Kairo und Alexandria fest.
"Viele Gefangene berichteten Amnesty von Folter durch Hiebe mit Schlagstöcken und Elektroschocks", erklärte die Ägypten-Expertin von Amnesty Deutschland, Ruth Jüttner. Seit dem Amtsantritt von Ägyptens Innenminister Magdi Abd el-Ghaffar im März 2015 sei die Zahl der Opfer des Verschwindenlassens deutlich gestiegen. Staatliche Sicherheitsdienste, insbesondere der ägyptische Geheimdienst National Security Agency, würden seit anderthalb Jahren unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung willkürlich politische Aktivisten und Demonstranten festnehmen. Die Gefangenen, darunter auch Studenten und Kinder, dürften ihre Familien nicht sehen und auch mit keinem Rechtsbeistand sprechen.
Ägyptens Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi ruft Amnesty dazu auf, die schweren Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden zu stoppen. Außerdem müsse eine unabhängige Kommission die Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
An die internationale Gemeinschaft appelliert die Menschenrechtsorganisation, Ägypten zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards zu drängen. Zudem müssten Rüstungsexporte insbesondere von Kleinwaffen, Munition und Überwachungstechnik in das Land gestoppt werden.