Zum Beginn rief der Berliner Erzbischof Heiner Koch auf dem Augustusplatz in der Innenstadt zu einer solidarischen Gesellschaft auf. Christen müssten sich einsetzen für das Leben eines jeden Menschen, für Ungeborene und Verhärtete, Kranke und Sterbende, Obdachlose und Flüchtlinge, sagte Koch in seiner Fronleichnamspredigt.
Der katholische Feiertag Fronleichnam ist in Sachsen anders als in sechs Bundesländern im Süden und Westen Deutschlands kein Feiertag. So hörten die nach Veranstalterangaben rund 15.000 Zuhörer neben Musik und christlichen Worten Alltagslärm, Straßenbahnen und Krankenwagensirenen. "Gott ist auch im Alltag mitten unter uns", sagte Koch, der als damaliger Dresdner Bischof den Jubiläums-Katholikentag nach Leipzig geholt hatte, wo sich nur gut vier Prozent der Menschen zum katholischen Glauben bekennen und insgesamt knapp 20 Prozent der Bevölkerung christlich sind.
"Wie wollen wir leben?"
Dieser säkularen Herausforderung stellen sich die Veranstalter, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), mit vielen Angeboten unter der Überschrift "Leben mit und ohne Gott". Dazu sind die Einwohner Leipzigs kostenlos eingeladen. Der Prager Religionssoziologe Tomas Halik sieht in Atheismus und Religionskritik auch eine Chance für den Glauben. "Ein bestimmter kritischer Atheismus hilft paradoxerweise, Hindernisse auf dem Glaubensweg zu überwinden", sagte er. Mit der Aktion "100 Begegnungen an 100 Orten" setzte der Katholikentag am Donnerstag zudem auf den den Dialog zwischen Leipzigern und Gästen.
Bundespräsident Joachim Gauck warb unter der Fragestellung "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?" für Gelassenheit und Augenmaß im Umgang mit artikulierten Ängsten. In einer Podiumsdiskussion zeigte sich Gauck sehr einverstanden damit, wenn die Politik nicht gleich erschrecke, nur weil jemand laut "Angst, Angst, Angst" rufe. Wichtig sei zu prüfen, wie realistisch die vorgebrachten Sorgen seien. Die heutigen Möglichkeiten der Meinungsbildung führten dazu, dass bestimmte Dinge durchs Land waberten, sagte Gauck. "Deshalb brauchen wir auch ein Training der seriösen Debatte und da zählt das Argument und nicht nur das ängstliche Gesicht", betonte er.
Bundesarbeitsministerin Nahles sprach sich auf einem Podium unter der Überschrift "Reichtum verpflichtet. Zum verantwortlichen Umgang der Kirche mit ihrem Vermögen" gegen Millionenspenden von reichen Menschen und für reguläre Steuerzahlungen aus. "Ich will diese Form der Reichtumsverteilung nicht", sagte sie mit Blick auf öffentlichkeitswirksam getätigte Spenden von Internet-Unternehmern. Stattdessen sollte Reichtum besteuert werden, so dass der Staat über die Verteilung entschieden könne. Die Kluft zwischen Armen und Reichen in der deutschen Gesellschaft werde immer größer, sagte Nahles und sprach von einer Schieflage.
Flut von Kommentaren zum Thema AfD
Innerkirchliches kam mit der Diakonninen-Weihe zur Sprache. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken will sich zusammen mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz dafür einsetzen, dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können. Beim nächsten Treffen des Komitees und der Bischöfe solle es einen Beschluss geben, um den Wunsch von Papst Franziskus nach der Prüfung der Diakoninnen-Weihe zu unterstützen, sagte ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann vor Journalisten.
Der Generalsekretär des ZdK, Stefan Vesper, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die deutschen Katholiken müssten auch "mit Respekt" auf die weltkirchliche Situation der Katholiken schauen: "Dort sind andere Themen wichtig." Eine Forderung nach dem Priesteramt für Frauen würde in der katholischen Weltkirche zu Spannungen führen.
Am Freitag werden etliche hochrangige Politiker in Leipzig erwartet, darunter Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (alle CDU) und die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD).
Die Debatte über die Nicht-Einladung von AfD-Vertretern auf Podien des Katholikentags ging am Donnerstag im Netz weiter. Die Social-Media-Redaktion des Katholikentags erhalte eine Flut von Kommentaren dazu, erklärte der Katholikentag. AfD-Vertreter verschärften derweil den Ton gegen die großen christlichen Kirchen. Das Engagement von katholischer und evangelischer Kirche für die Flüchtlinge sei von wirtschaftlichen Interessen bestimmt, schrieb der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron in einem auf seiner Homepage veröffentlichten Text. Die Amtskirchen verdienten über ihre Wohlfahrtsverbände "alleine an der Flüchtlingskrise mehrere Milliarden Euro pro Jahr". Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wies die Vorwürfe zurück.
Zum 100. Deutschen Katholikentag werden bis Sonntag rund 32.000 Dauerteilnehmer und mehrere tausend Tagesgäste erwartet. Auf dem Programm stehen unter dem Leitwort "Seht, da ist der Mensch" mehr als 1.000 Diskussionsrunden, Workshops, Konzerte und Gottesdienste.