Berlin (epd) Gehört der Islam zu Deutschland? Auch knapp sechs Jahre nach der aufsehenerregende Rede des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wird in Deutschland über diesen Satz gestritten. Es sei die "religionspolitische Gretchenfrage", sagte kürzlich die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Christine Langenfeld. Nein antworten darauf die einen, die Geschichte und Tradition Europas auf vor allem jüdischen und christlichen Einflüssen begründet sehen. Besonders kämpferisch mit dieser Haltung gab sich am Wochenende die AfD auf ihrem Parteitag, als sie im Parteiprogramm für sich beschloss: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."
Zehn Jahre Islamkonferenz
Mit Ja antworten hingegen andere auf die Frage, die argumentieren, mit den in Deutschland lebenden Muslimen gehöre auch deren Religion zwangsläufig dazu. Diesem Pragmatismus folgte 2006 der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), als er die Deutsche Islamkonferenz ins Leben rief. Erstmals verhandelten Repräsentanten des Staates mit Vertretern der Muslime in Deutschland über die Frage, wie sie gleiche Rechte wie etwa die Kirchen erlangen können. Es geht dort zum Beispiel um Religionsunterricht, Seelsorge in Institutionen oder einen eigenen Wohlfahrtsverband.
Die Islamkonferenz wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Einiges ist erreicht worden, das belegt, wie der Islam inzwischen konkret im Alltag dazugehört. Über neue Modelle wurde in einigen Bundesländern islamischer Religionsunterricht etabliert. An fünf Universitäten gibt es Lehrstühle für islamische Theologie, an denen Pädagogen und Imame ausgebildet werden sollen. Erste Gremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten haben inzwischen auch Plätze an muslimische Verbände gegeben, darunter Radio Bremen, der SWR und das ZDF. Aktuelles Thema der Islamkonferenz ist, wie muslimische Seelsorge analog zu anderen Religionen in Krankenhäusern, der Bundeswehr und in Gefängnissen gewährleistet werden kann.
Modelle für Gleichstellung
Mit all diesen Regelungen geht der Staat bei den Muslimen einen Sonderweg. Evangelische und katholische Kirche sowie der Zentralrat der Juden profitieren von den Rechten automatisch, weil sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind. Bei den Islamverbänden gestaltet sich dieser grundlegende Rechtsakt von Beginn an als problematisch: Die Gemeinden führen keine genauen Mitgliederlisten und die Verbände repräsentieren jeweils nur einen Teil der Muslime in Deutschland.
Die Voraussetzungen einer Anerkennung als Körperschaft werden daher von der Politik als nicht erfüllt angesehen. Dennoch gibt es erste Modelle für eine weitestgehende Gleichstellung mit den Kirchen: Hamburg und Bremen haben mit Vertretern der Muslime Staatsverträge über Regelungen für Feiertage, Religionsunterricht, Bestattungen und den Bau von Gebetshäusern abgeschlossen.
Als Teil der religiösen Landschaft haben auch die Kirchen den Islam als Teil des Landes akzeptiert. So treffen sich seit vielen Jahren beispielweise regelmäßig Spitzenvertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Koordinationsrats der Muslime zum interreligiösen Dialog. In Berlin plant eine evangelische Gemeinde gemeinsam mit Vertretern aus Judentum und Islam ein gemeinsames Gebetshaus unter dem Namen "House of one". Durch diesen Kontakt sieht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, ein Mittel gegen die Wirksamkeit der Thesen der AfD, die den Islam möglichst weit aus der Gesellschaft ausschließen will. Diese Sprüche hätten keinen Bestand mehr, "wenn sich die Menschen persönlich begegnen", sagte der bayerische Landesbischof am Montag dem NDR.