Dort könnten Radikalisierungen durch persönliche Kontakte stattfinden. Die aktuellen Ereignisse im Brüsseler Ortsteil Molenbeek zeigten diese Gefahr sehr deutlich. Für den Migrationsforscher Andreas Pott liegt die Hauptursache für den sich ausweitenden Terrorismus allerdings nicht in den Einwanderer-Gettos in Brüssel und Paris. Gute Stadtentwicklung schütze nicht vor Terror, sagte der Osnabrücker Wissenschaftler dem epd.
Molenbeek ist als Islamistenhochburg bekannt. Dort wurde in der vergangenen Woche Salah Abdeslam gefasst, der Terrorist der Miliz Islamischer Staat (IS) wird für die Pariser Anschläge vom 13. November mit verantwortlich gemacht. Abdeslam stand bisherigen Ermittlungen zufolge auch in Kontakt zu Mitgliedern der Terrorzelle, die die Anschläge in Brüssel am Dienstag verübten.
Mit Blick auf die Lage in Deutschland forderte Mayer, dass das "unmittelbare soziale Umfeld" - Familien, Freunde, Mitschüler und Kollegen - nicht wegsehen dürfe, wenn sich Muslime radikalisierten. Sollten eigene Versuche der Einflussnahme keinen Erfolg haben, sei diesen Personen dringend zu raten, mit denen zusammenzuarbeiten, die professionell Radikalisierungstendenzen entgegenträten. Es müsse "frühzeitiges Handeln" einsetzen, bevor die Sicherheitsbehörden eingreifen, so der CSU-Politiker.
Der Sozialgeograf Andreas Pott sagte dem Evangelischen Pressedienst, die Terror-Miliz "Islamischer Staat" verfüge zur Anwerbung von Kämpfern und Selbstmordattentätern über ausgeklügelte globale Netzwerke. Es sei zu kurz gegriffen, wenn Experten glaubten, nur oder vor allem benachteiligte junge Muslime aus problematischen Stadtvierteln seien anfällig für extremistische Positionen. Es gebe immer wieder auch gut gebildete und integrierte Migranten wie etwa Mohammed Atta, einer der Attentäter vom 11. September 2001, die anfällig für gewaltbereite Ideologien würden, sagte der Direktor des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück: "Es ist ein Irrglaube, man könne mit vernünftiger Stadtentwicklung den Terrorismus bekämpfen."
Dennoch sei es wichtig, einer Ghettoisierung wie in Frankreich oder Belgien vorzubeugen, sagte Pott. Dabei sei es nicht grundsätzlich problematisch, wenn Zuwanderer sich zunächst in bestimmten Vierteln konzentrierten.
Einwandererviertel habe es immer schon gegeben, betonte der Experte. Sogar die Vorstädte in Frankreich seien einmal ein Vorzeigemodell gewesen. Es sei normal, dass Menschen gleicher Herkunft sich in fremden Ländern zueinander orientierten. Sie könnten sich so gegenseitig beistehen und helfen. "Wir können sie davon auch gar nicht abhalten."
Problematisch: Trennung in zweiter Generation
Es sei aber schon lange aus der Forschung bekannt, "dass es dann problematisch wird, wenn diese Trennung von der Mehrheitsgesellschaft in der zweiten und dritten Generation anhält und sich noch verfestigt". Vorbeugen könnten Politik und Gesellschaft mit sozialen Netzwerken, die über die Grenzen dieser Viertel hinaus funktionierten. "Man darf die Verbindung zu den Menschen nicht verlieren und muss mit ihnen im Gespräch bleiben."
Es sei wichtig, die Bewohner etwa in Fragen der Stadtentwicklung zu beteiligen, ihnen gute Schulen zur Verfügung zu stellen und Arbeitsplätze auch außerhalb zu bieten. Ebenso müssten sie in andere Viertel ziehen können. Die Quartiere müssten zudem so attraktiv sein, dass von außen Menschen dorthin ziehen.