Berlin (epd)Die Bundesregierung versucht, eine Mehrheit der Pflege- und Sozialverbände hinter ihrem Gesetz für eine Vereinheitlichung der Pflegeausbildung zu versammeln. Einen Tag vor der ersten Beratung des Pflegeberufegesetzes im Bundesrat stellte der Patienten- und Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), am Donnerstag in Berlin einen Aufruf "Generalistik jetzt!" vor. Darin heißt es, der Beruf müsse durch eine zeitgemäße Ausbildung aufgewertet werden. Der Fachkräftemangel in der Pflege sei eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens. Laumann sagte, die Reform der Ausbildung sei eine große Chance, die man nicht verstreichen lassen dürfe.
37 Verbände dabei
Dem Aufruf haben sich Laumann zufolge 37 Verbände aus der Pflegebranche angeschlossen. Darunter sind auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie als große Träger von Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten. Aus Nordrhein-Westfalen kommt Gegenwind. Die Düsseldorfer Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) forderte eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens. Steffens veröffentlichte ein Rechtsgutachten, wonach Teile des Gesetzentwurfes der Bundesregierung verfassungswidrig sind. Auch die privaten Arbeitgeber in der Gesundheits- und Pflegebranche, Ärzteverbände und einige Altenpflegeverbände lehnen das Gesetz ab.
Das Pflegeberufegesetz von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ist vom Kabinett gebilligt worden und wird nun im Bundesrat und von März an auch im Bundestag beraten. Die Länderkammer muss dem Gesetz zustimmen. Widerstand kommt bisher vor allem aus Nordrhein-Westfalen. Die Ausbildungsverordnung, die das Gesetz mit Leben füllt, soll im Verlauf der Beratungen vorgelegt werden. Die Eckpunkte der Verordnung werden am 1. März erwartet.
Über eine Vereinheitlichung der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege wird seit mehr als zehn Jahren diskutiert. Mit dem Gesetzentwurf der Regierung ist eine Abschaffung des Schulgelds verbunden, das einige Bundesländer immer noch von Altenpflegeschülern verlangen. Der Beruf soll durch neue Studiengänge und Aufstiegsmöglichkeiten attraktiver gemacht werden. Alle Pflegeschüler sollen nach einer bundesweit einheitlichen Verordnung ausgebildet und geprüft werden. Laumann sagte, aus seiner Sicht werde insbesondere die Altenpflege profitieren, wo Pflegekräfte ein Viertel weniger verdienen als in den Krankenhäusern. Das werde sich bei gleichwertigen Abschlüssen für alle Pflegekräfte ändern müssen..
BDA: Modernisieren, aber nicht vereinheitlichen
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte demgegenüber, die Ausbildungen müssten modernisiert, aber nicht vereinheitlicht werden. Die privaten Pflegeanbieter (bpa) machen eine wachsende Zahl von Kritikern aus. Es scheine so schlecht um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf zu stehen, dass Laumann nun Verbündete zusammentrommeln müsse, erklärte bpa-Präsident Bernd Meurer. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 9.000 privat geführte Altenpflegeeinrichtungen, mit denen er seinerseits eine Kampagne gegen die Reform betreibt.
Das Rechtsgutachten der nordrhein-westfälischen Landesregierung sieht verfassungsrechtliche Probleme vor allem bei der Finanzierung der einheitlichen Ausbildung. Im Einzelnen bemängelt das Gutachten, der Bund habe nicht die Gesetzgebungskompetenz, eine Finanzierung über Länderfonds vorzuschreiben. Die geplante Ausbildungsumlage berücksichtige nicht die unterschiedlichen finanziellen Ausgangsbedingungen von Heimen, Kliniken und ambulanten Diensten und verstoße damit gegen den Gleichheitsgrundsatz. Weitere Einwände betreffen die Ausbildung bei ambulanten Pflegediensten.
Ministerin Steffens erklärte, zwar sei eine Reform der Pflegeausbildung grundsätzlich sinnvoll, doch werde der Bund "sehenden Auges scheitern", wenn er den Entwurf in seiner jetzigen Form weiterverfolge. Dazu sagte Laumann, die nordrhein-westfälische Ministerin sei mit ihrer Position "isoliert" und werde von anderen Bundesländern nicht unterstützt. Einig sind sich die Länder aber offenbar, dass sie eine Verschiebung der Reform um ein Jahr auf 2019 wollen. Darüber wird der Bundesrat am Freitag beraten.