Die "Herausforderung der Flüchtlingsströme" gehöre zu den politischen Fragen mit hoher ethischer Relevanz, sagte Lammert in einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch zum Katholikentag 2016 in Leipzig. "Ein überzeugter Christ kann sich zu diesem Thema nicht indifferent verhalten", sagte der Katholik Lammert. Zugleich müsse aber auch klar sein, dass sich das politische Problem nicht allein aus einem humanitären Geist herauslösen lasse.
"Bei aller Solidarität muss es erlaubt sein, nach Größenordnungen, Aufnahmekapazitäten und Möglichkeiten der Integration zu fragen", sagte Lammert. Plakative und scheinbar einfache Antworten führten nicht zum Ziel. Deutschland sei "kein Experimentierfeld für alternative Gesellschaftsformen", betonte er mit Blick auf Zuwanderung aus anderen Kulturen: "Wer zu uns kommt, muss wissen, welche Regeln und Werte hier gelten."
Im Übrigen müsse auch gesehen werden, dass längst nicht jeder Asylbewerber aus einem islamisch geprägten Land ein gläubiger Muslim sei, sagte Lammert. Da gelte dasselbe wie für Christen hierzulande: "Nicht jeder, der formell einer Religionsgemeinschaft angehört, hat auch ein aktives oder gar offensives Verhältnis zu dieser Gemeinschaft."
Er finde es auch "einigermaßen erstaunlich", dass vor allem in Regionen mit nur wenigen Kirchenzugehörigen die "größte Furcht vor einer angeblich drohenden Islamisierung des 'christlichen Abendlandes' zum Ausdruck gebracht wird", sagte Lammert. Besonders ärgerlich finde er dabei, dass viele Menschen dort von Einwanderern kulturelle Orientierung einforderten, die sie aber selbst in ihrer Art und Weise der Auseinandersetzung "schmerzlich vermissen" ließen.
Lammert wurde im Rahmen des 100-Tage-Countdowns zum 100. Deutschen Katholikentag vom 25. bis 29. Mai in Leipzig interviewt. Bis zum Auftakt werden unter "www.100tage100menschen.de" etliche weitere Prominente und weniger bekannte Personen zu Wort kommen, die auf irgendeine Weise mit dem Katholikentag in Verbindung stehen.
