Genf, New York, Brüssel, Hannover (epd)Mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen weltweit sind Opfer einer Genitalverstümmelung. Etwa ein Fünftel von ihnen ist jünger als 15 Jahre, wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Freitag in New York mitteilte. Trotz Fortschritten in einigen Ländern sei weiter mit einem starken Anstieg der absoluten Zahl zu rechnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte anlässlich des internationalen Tags gegen Genitalverstümmelung am 6. Februar ein Ende der gefährlichen und brutalen Eingriffe.
Psychische Folgen und chronische Schmerzen
Die "Stiftung Weltbevölkerung" geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 mehr als 15 Millionen weiteren Mädchen die Genitalverstümmelung droht. Die Praxis ist in rund 30 Ländern verbreitet, vor allem in Afrika, aber auch in einigen arabischen und asiatischen Ländern. Die Hälfte der beschnittenen Mädchen und Frauen lebt nach UN-Angaben in Ägypten, Äthiopien und Indonesien. In den meisten Ländern werde die Mehrheit der Mädchen vor dem fünften Geburtstag beschnitten.
In Europa hätten schätzungsweise eine halbe Million Frauen und Mädchen die "mit Folter vergleichbare" Praxis über sich ergehen lassen müssen, erklärte die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini. Gemeinsam mit Justizkommissarin Vera Jourova und Entwicklungskommissar Neven Mimica in Brüssel verurteilte sie die Tradition scharf.
Bei dem Eingriff werden die äußeren Genitalien meist ohne Narkose teilweise oder vollständig entfernt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben viele Mädchen und Frauen während des Eingriffs oder an seinen Folgen. Bei der Beschneidung, die oftmals mit stumpfem oder ungereinigtem Werkzeug vorgenommen wird, kann es zu Schockzuständen, starken Blutungen und Infektionen kommen. Die Beschnittenen leiden teils lebenslang an den psychischen Folgen und chronischen Schmerzen, beispielsweise beim Wasserlassen oder während der Menstruation, oder werden unfruchtbar.
Verbote oft nicht umgesetzt
Obwohl den Vereinten Nationen zufolge in einigen Ländern Fortschritte im Kampf gegen die Verstümmelung von Mädchen zu verzeichnen sind, könnten diese mit dem gesamten Bevölkerungswachstum nicht mithalten. In den meisten afrikanischen Ländern ist der Eingriff gesetzlich verboten. Die Verbote werden jedoch häufig nicht umgesetzt. In Liberia, Somalia, Sierra Leone und dem Sudan ist die Praxis bislang nicht illegal.
Die Genitalverstümmelung soll der Tradition zufolge Schönheit, Keuschheit und die Heiratschancen der Mädchen und Frauen steigern. Die WHO betonte am Freitag, dass Genitalverstümmelung keinerlei Nutzen für die Opfer habe. Sie sei im Gegenteil eine massive Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit.
Es werde höchste Zeit, diese gravierende Menschenrechtsverletzung zu beenden und Mädchen und Frauen vor unfassbarem Leid zu bewahren, sagte die Geschäftsführerin der "Stiftung Weltbevölkerung", Renate Bähr, in Hannover. Gesetze alleine reichten dazu nicht aus. "Entscheidend ist, Mädchen und Frauen gleiche Rechte einzuräumen. Wenn die Menschen in den Gemeinden nicht einsehen, dass die Genitalverstümmelung schwerwiegende Folgen für Mädchen hat, wird diese grausame Tradition fortgesetzt."