In der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi wurde am Freitag die Wanderausstellung "Neue Anfänge nach 1945?" eröffnet. Der Blick auf die eigene Geschichte sei oft "mühsam und belastend", könne aber auch befreiend sein, sagte Landesbischof Gerhard Ulrich vor knapp 200 Gästen.
Es bleibe die Frage, ob die evangelische Kirche nach 1945 einen echten Neuanfang gewagt habe.
Die Kirche im Norden sei nach 1945 unfähig gewesen, sich kritisch mit dem eigenen Verhalten in der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen, kritisierte der Historiker Stephan Linck, der die Kirchengeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet hat. Die Kirche habe sich nach Kriegsende mehr um NS-belastete Menschen bemüht als um die Opfer des Nationalsozialismus. Das Leid der Juden sei ausgeblendet worden.
So seien die evangelischen Christen jüdischer Herkunft, die die NS-Zeit überlebt hatten, von der Kirche kaum wahrgenommen worden, beklagte Landesbischof Ulrich. Die "Stuttgarter Schulderklärung" von 1945 sei im Norden überwiegend auf Ablehnung gestoßen, sagte Linck. Wenig Resonanz habe im Norden auch der Protest gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren gefunden. Stattdessen seien einzelne Friedensinitiativen von den Kirchenleitungen scharf kritisiert worden.
Linck hatte Ende 2013 sein Werk "Neue Anfänge? Kirche, Christen und Juden nach 1945" vorgestellt, das die Geschichte der evangelischen Kirche in Hamburg und Schleswig-Holstein von 1945 bis 1965 darstellt. Im Februar wird der zweite Teil vorgestellt, der sich mit der Zeit bis 1985 beschäftigt.