Dresden (epd)Dresdner Politikwissenschaftler stellen eine zunehmende Radikalisierung der fremdenfeindlichen "Pegida"-Bewegung fest. Am Mittwoch legten sie dazu eine umfassende Analyse vor. Die selbst ernannten Retter des Abendlandes seien eine "rechtspopulistische Empörungsbewegung", die Vorbehalte und Aversionen gegen die politische und mediale Elite in Deutschland hat, sagte Autor Hans Vorländer bei der Präsentation der Studie in Dresden. Die Bewegung, die seit mehr als einem Jahr nahezu jeden Montag in Dresden demonstriert, habe ein "vulgär-demokratisches Politikverständnis" und mobilisiere fremdenfeindliche und islamkritische Ressentiments.
"Pegida" sei zunehmend eine Antiflüchtlingsbewegung, führte Vorländer aus. Dabei halte die Radikalisierung der Rhetorik bis hin zu offenem Rassismus vor allem bei Frontfrau Tatjana Festerling an. Auch zum "Systemumsturz" werde aufgefordert, betonte der Autor. Zudem nehme die Gewalt auf der Straße und am Rande der Demonstrationen zu. Dagegen "scheint der Versuch eines Anschlusses an internationale Rechtspopulisten gescheitert zu sein".
Mitte der Gesellschaft anfällig
Die Basis für die im Handel erhältliche Studie mit dem Titel "Pegida - Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung" lieferten den drei Autoren Hans Vorländer, Maik Herold und Steven Schäller zufolge empirische Studien, sowohl eigene als auch von anderen Wissenschaftlern.
Vorländer sieht die Partei AfD als "parlamentarischen Arm" der "Pegida"-Bewegung. "Zwischen AfD und 'Pegida' Dresden gibt es keine unmittelbare Allianz", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber bei kommenden Wahlen werde "Pegida" der AfD "mehr Stimmen sichern", die sich aus der fremdenfeindlichen Bewegung rekrutieren. Zugleich mahnte Vorländer, dass für die Parolen der "Pegida" eben nicht nur der Rand, sondern die Mitte der Gesellschaft anfällig sei.
"Pegida" vereint bei wöchentlichen Demonstrationen derzeit bis zu 4.000 Menschen, im Januar 2015 waren es zeitweise mehr als 20.000 Anhänger. Die Bewegung sei nicht einheitlich, sagte Vorländer, weder organisatorisch noch personell. Auch die Motive der Redner und Teilnehmer seien "sehr unterschiedlich". Das Buch beschreibt die schnelle Wachstumsphase bis Anfang 2015, den Bruch innerhalb der Bewegung sowie den Versuch einer Reorientierung.
"Kein schnelles Ende"
Wie andere Empörungsbewegungen versuche "Pegida", "Macht auf prominenten Straßen und Plätzen zu erringen". Dabei würden ikonische Bilder - etwa mit der Silhouette Dresdens - produziert. Nicht zu unterschätzen sei, dass die Demonstrationen für viele zum Ritual mit hoher symbolischer Aufladung geworden seien, sagte Vorländer. Die Sprechchöre hätten einen gemeinschaftsstiftenden Charakter.
Der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, setzt weiter auf Dialog mit den Bürgern und will seine Moderationen bei Versammlungen in sächsischen Kommunen fortsetzen. Bei "Pegida" sehe er "viel von dem Protest, den der ländliche Raum in die Stadt hineinträgt", sagte Richter. "Wir müssen die Themen von der Straße in den Saal bringen" und versuchen, die emotionale in eine rationale Diskussion zu wenden. Vorländer stellte in Aussicht: Die Bewegung könne sich nur irgendwann selbst erschöpfen, sich totlaufen. Derzeit sehe er jedoch "kein schnelles Ende".