In der Europäischen Union stünden nach dem Mitgliederzuwachs der vergangenen Jahre derzeit keine weiteren Zugänge zur Debatte, sagte Kiderlen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem sei Georgien von europäischen Vorstellungen zu Toleranz und Gewissensfreiheit nicht zuletzt aufgrund der Vormachtstellung der orthodoxen Kirche "noch einigermaßen entfernt", ergänzte der Bischof. Immerhin gebe es aber seit zwei Jahren ein Assoziierungsabkommen, was die Verbindungen zum Westen schon sehr viel enger mache.
Die von Deutschen gegründete lutherische Kirche wird nach Kiderlens Einschätzung in Georgien immer noch als Kirche einer nationalen Minderheit betrachtet. Dabei habe sie heute kaum noch deutschsprechende Mitglieder. Wenn ein Lutheraner eine Arbeitsstelle suche, verschweige er manchmal sein Evangelischsein, um seine Chancen nicht zu gefährden. "Evangelischsein ist in diesem Land zudem immer dem Verdacht unterworfen, eine Sekte zu sein. Denn die Nation identifiziert sich weitestgehend mit der orthodoxen Kirche und wird darin von dieser Kirche auch sehr bestärkt", sagte Kiderlen. Jüngere Leute schätzten am Protestantismus den freieren Geist des Austausches und den "unmittelbaren Zugang zu Gott", wie ihn evangelische Prediger im Gegensatz zur orthodoxen Kirche verkündigten.
Die 1818 gegründete Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien geht auf württembergische Auswanderer zurück. Sie hat heute noch rund 600 Mitglieder. Bischof Kiderlen ist ordinierter Pfarrer, hat aber die längste Zeit seiner beruflichen Laufbahn für den Auswärtigen Dienst gearbeitet. Zudem war er Leiter des Brüsseler Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nach seiner Pensionierung 2008 übernahm er in Tiflis das Bischofsamt.