Beinahe sieht es so aus, als würde ein Mönch den gepflasterten Weg zur Zionskirche im Berliner Stadtteil Mitte entlanglaufen. Seine braune Kutte reicht bis zum Boden, das Gesicht ist verdeckt. Bei näherer Betrachtung leuchten jedoch zwei gelbe Augen unter der Kapuze hervor. Plötzlich springen ihm zwei Jungen in den Weg und kreuzen ihre blaues und grünes Lichtschwert. Ein junger Mann in futuristischer Plastikrüstung posiert vor den Kameras zahlreicher Filmteams und Fotografen. Im Portal steht eine dunkle Gestalt, fast meint man sein mechanisches Atmen zu hören: Darth Vader höchstpersönlich.
Dieses Spektakel am Sonntag hat die Berliner Kirche zwei findigen Vikaren zu verdanken. Lucas Ludewig und Ulrike Garve fiel beim "Star Wars"-Schauen auf, wie viele Parallelen sich zur christlichen Tradition finden und beschlossen kurzerhand, einen "Star Wars"-Gottesdienst zu veranstalten. Einen Monat lang haben sie geplant und sich vorbereitet. Das Konzept ging auf. Über 400 Besucher strömten zu der ungewöhnlichen Adventsmesse, einige verkleidet. Von den Medien werden sie wie echte Filmstars in Beschlag genommen.
Parallelen zwischen "Star Wars" und dem Evangelium
Statt in ein Raum- gehen sie in das Kirchenschiff, wo bereits John Williams weltberühmter Soundtrack auf der Orgel ertönt. "Das Warten hat ein Ende: Die Macht ist erwacht", eröffnet Garve den Gottesdienst in Anspielung auf den Kinostart von Episode VII. "Doch wir warten immer noch auf Gottes Kommen in der Welt", führt sie fort und schlägt so den Bogen zur Adventszeit. Sie erzählt von den Wüsten auf der Erde und denen auf dem Planeten Tatooine, von Laserschwertern und den vielen Lichtern in der Vorweihnachtszeit.
"Jetzt wird mich das All selig preisen, denn er wirkte Großes an mir", beginnt der erste Psalm, "der Macht hat und dessen Name heilig ist und sein Mitgefühl wirkt an allen Enden des Universums, bei denen die Ehrfurcht haben." Die sogenannte "Macht" ist auch im Star Wars-Universum von großer Bedeutung: es ist eine spirituelle Kraft, die alles Leben durchfließt und über eine helle sowie eine dunkle Seite verfügt.
Luke Skywalker, der Held aus der ursprünglichen Trilogie von Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre, wird von dieser dunklen Seite verführt. Die Vikare zeigen die entscheidenden Szenen aus "Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter", in denen Luke auf seinen Vater Darth Vader trifft. "Ich weiß, dass noch Gutes in dir ist", konfrontiert Luke ihn. "Befreie dich vom Hass!"
"Luke sieht mehr", predigt Garve, "er sieht den Menschen, der tief verborgen ist hinter der Maske." Luke ermögliche Vader die Umkehr. "Auch bei Gott gibt es den 'point of no return' nicht, denn er blickt hinter unsere Masken und sieht unsere Herzen", sagt Ludewig. "Skywalker erstaunt mich, er hält am hellen Weg fest und vertraut auf das Gute."
Im finalen Kampf zwischen Luke und seinem Vater, weigert sich Luke den besiegten Vader zu töten. "Ich werde nie zur dunklen Seite gehören", sagt er und wirft sein Lichtschwert fort. "Er erkennt: die Spirale der Gewalt lässt sich nicht durch Gewalt beenden, Gewaltlosigkeit ist stärker als alle Waffen der Welt", fasst Ludewig zusammen. Garve und Ludewig interpretieren die Szene als Parallele zum Römerbrief 12, 21: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem."
Auch die Brücke zu aktuellen Themen schlagen die beiden angehenden Pfarrer. Gerade nach den Anschlägen von Paris, sei Hass auf Flüchtlinge ein leichter, verführerischer Weg – wie die dunkle Seite der Macht. "Doch der Weg des Lichts ist ein anderer", mahnt Ludewig. "Wie fühlen sich Menschen, wenn sie wie Terroristen behandelt werden?", fragt Garve und appelliert in Anspielung auf den Trailer zum siebten Star Wars, der ebenfalls gezeigt wird: "Sprecht die Menschen an, fragt sie: Wer bist du?"
Volle Kirche: Gelungener Spagat zwischen Lichtschwert und Kreuz
Auffällig viele Kinder sind mit im Gottesdienst. Hier und da ragt ein Lichtschwert auf oder es prangt das Logo des Films auf einem Pullover. Die Eltern scheinen nicht weniger Spaß zu haben. "Schau mal ein Ewok", sagt ein Junge und zeigt auf einen der Kostümierten. "Das ist kein Ewok, das ist ein Java!", korrigiert ihn der empörte Vater. Wie im neuen Film kommen die alte und die junge Generation hier zusammen, bei einem Thema, das beide gleichermaßen begeistert.
Ludewig zeigt sich erstaunt vom großen Erfolg des Gottesdienstes: "Wir haben gedacht, dass es die Leute interessiert, waren dann aber überrascht, wie viele gekommen sind." Die Kritik, Star Wars hätte nichts in der Kirche verloren, wiegelt er ab: "Wenn wir Star Wars ignorieren, heißt es, die Kirche geht an den Leuten vorbei und wenn wir es in den Gottesdienst aufnehmen, heißt es, wir würden das instrumentalisieren, um mehr Menschen in die Kirche zu locken." Sie hätte sich gefreut ein Thema zu finden, dass die Leute begeistert und sich gut mit dem Advent verbinden lässt.
Dass der Gottesdienst mit dem "Krieg der Sterne"-Thema Gewalt verharmlost, wie es Margot Käßmann in der "Bild" befürchtet hatte, tritt nicht ein. Zur Fürbitte heben Garve und Ludewig das Lichtschwert von Kylo Ren, dem Bösewicht aus dem neuen Film hoch, eine Geste, die zunächst bedrohlich wirkt. Doch dann sagt Garve: "Lasst Schwerter und Waffen ruhen", während sie das Schwert in einen mit Sand gefüllten Topf steckt, so dass es nun wie ein Kreuz vor dem Altar steht. Dann verabschiedet sie die Gemeinde mit einem leicht abgewandelten Zitat aus den Filmen: "Möge die Macht Gottes mit Euch sein!"
Ein zweiter "Star Wars"-Gottesdienst findet am 17. Januar 2016 um 17 Uhr in der Berliner Melanchthon-Kirche statt.