"Zum gemeinsamen Reformationsgedächtnis gehört auch das Bemühen, die jeweils andere Kirche differenziert wahrzunehmen", sagte der Ökumene-Experte am Samstag vor den unierten und lutherischen Kirchenparlamenten in Bremen. Zu den klischeehaften Qualifikationen gehöre es etwa, die evangelischen Kirchen als Neuerungsbewegung und zeitgemäß-weltoffene "Kirche der Freiheit" einer katholischen Kirche gegenüberzustellen, die als "altgläubig", rückwärtsgewandt und autoritätsfixiert dargestellt werde
Im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum sollten sich die evangelische Theologie und Kirche intensiver mit der Frage befassen, wie es mit Reform, Reformfähigkeit und -willigkeit in der römisch-katholischen Kirche stehe, empfahl Landesbischof Manzke. Dies könnte helfen, die römisch-katholische Kirche mit ihren theologischen Orientierungen besser zu verstehen, falsche Alternativen zu überwinden und neue Perspektiven für den ökumenischen Dialog zu eröffnen. Eine erste Gelegenheit dazu bietet Manzke zufolge eine Tagung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche zusammen mit anderen kirchlichen Einrichtungen im November 2016 zum Thema "Reform im Katholizismus. Traditionstreue und Veränderung in der römisch-katholischen Theologie und Kirche".
Als Ergebnis der Lehrgespräche der Lutheraner und Katholiken in Deutschland wird Manzke zufolge der Abschlussbericht "Gott und die Würde des Menschen" im ersten Halbjahr 2016 veröffentlicht. In dem Text werde verdeutlicht, wie trotz gelegentlicher Differenzen in ethischen Einzelfragen ein gemeinsames Eintreten der Kirchen für die Menschenwürde möglich sei. Der Catholica-Beauftragte sprach von einem guten theologischen Fundament, um grundsätzliche Übereinstimmungen in ethischen Fragen zu beschreiben.
In seinem Bericht ging der Landesbischof auch auf Entwicklungen in der katholischen Weltkirche ein. An der vatikanischen Bischofssynode sei ökumenisch bemerkenswert, dass katholische Theologie und Kirche Veränderungen in Lebensführung und Lebensformen deutlicher berücksichtigen wollten, ohne jedoch die Glaubenslehre und Moraltheologie zu verändern. "Damit ist das ökumenische Gespräch auch in Deutschland über ethische Fragestellungen durch die Bischofssynode positiv gestärkt worden", folgerte Manzke. Die Umwelt-Enzyklika "Laudato si" des Papstes Franziskus wertete der Catholica-Beauftragte als "eine große Ermutigung und Bestätigung für christliche Initiativen und Basisgruppen ist, die sich seit Jahren für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen".
Im Blick auf das anstehende Heilige Jahr hob Manzke die päpstliche Erlaubnis für alle Priester hervor, Katholiken von der Sünde der Abtreibung lossprechen. Als überraschend wertete er zudem die Ankündigung von Franziskus, dass im Heiligen Jahr Katholiken ausnahmsweise das Beichtsakrament auch durch Priester der traditionalistischen Piusbrüderschaft empfangen dürfen. Dass der Papst einerseits Ehenichtigkeitsverfahren erleichtere und beim Thema Abtreibung ein Zeichen setze, zugleich aber auf die ultratraditionalistischen Piusbrüder zugehe, sei kennzeichnend für die Amtszeit von Franziskus, der verhärtete Fronten aufweichen wolle, sagte Manzke.
Und wer sich der Klischees nochmal vergewissern will, kann sich nochmal unseren Film zum Reformationstag anschauen:
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