Medizinethiker Nagel sieht «Ice Bucket Challenge»-Aufruf kritisch

Medizinethiker Nagel sieht «Ice Bucket Challenge»-Aufruf kritisch

Der Medizinethiker Eckhard Nagel steht dem Aufruf zur Wiederauflage der «Ice Bucket Challenge» skeptisch gegenüber.

Frankfurt a.M., Essen (epd)"Die derzeitige Formulierung der Initiatoren suggeriert: Ihr müsst nur genug Geld geben, dann hat Forschung auf alles eine Antwort", sagte der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Forschung ist aber nicht immer erfolgreich. Es ist noch offen, ob ALS jemals vollständig heilbar sein wird", sagte er mit Blick auf die tödliche Nervenkrankheit.

Neuauflage dieses Jahr

Der US-amerikanische Verband ALS Association hatte angekündigt, zu der Aktion in diesem August und künftig jedes Jahr aufzurufen - so lange, bis ein Heilmittel gefunden sei. Auch im Aufruf müsste dargestellt sein, dass ein Ergebnis der Forschung nicht vorhersehbar sei, forderte Nagel.

Die "Ice Bucket Challenge" passe zur amerikanischen Spendenkultur, erläuterte Nagel, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist. In den USA finanzierten private Geldgeber traditionell medizinische Forschung. In Deutschland sei das hingegen die Domäne des Staates. Erst in den vergangenen Jahren sei das Bewusstsein entstanden, dass Geld für die Erforschung seltener Krankheiten fehle.

"Spenden sind in den USA außerdem traditionell mit einer Selbstdarstellung der Spender verbunden", erklärte Nagel. So seien beispielsweise Gebäude nach ihren Stiftern benannt. "In Deutschland hingegen nimmt man sich bei einer Spende persönlich eher zurück." Aus ethischer Sicht sei das aber unwichtig: "Wenn Menschen etwas Gutes tun, sollte man ihr Motiv nicht negativ bewerten. Spenden ist eine durchweg positive Handlung." Man müsse allerdings darauf achten, dass sich nicht die ganze Aufmerksamkeit auf Großspender konzentriere und Kleinspender nicht mehr wertgeschätzt würden. Zudem sei Authentizität wichtig: Ein Mensch, der unter ALS leide, oder eine Patientenvereinigung seien bei der Spendenwerbung glaubwürdiger als Prominente.

Mit einem Eimer Eiswasser gegen ALS

Die "Ice Bucket Challenge" gilt als eine der erfolgreichsten Social-Media-Kampagnen. Vor einem Jahr hatten sich Prominente und in der Folge Tausende weitere Menschen weltweit einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet, um auf die Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) aufmerksam zu machen. Internetnutzer nominierten sich dafür gegenseitig. Wer nominiert war, sollte entweder 100 Dollar an eine ALS-Stiftung spenden oder eine Eisdusche über sich ergehen lassen. Viele kippten sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf und spendeten. Zahlreiche Teilnehmer stellten Beweisvideos ins Internet, unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates und Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Dass steigende Spenden für die ALS-Forschung zulasten der Erforschung weniger prominenter Krankheiten gehen könnten, befürchte er nicht, sagte Nagel: "Es gibt keine Hinweise, dass durch solche intensiven Aktivitäten in anderen Bereichen weniger gespendet wird." Außerdem stehe es ja auch anderen Selbsthilfegruppen und Initiativen offen, für ihre Arbeit kreativ zu werben.